Textatelier
BLOG vom: 23.05.2014

Forellenzucht: Weiher, wo Fische und Reiher zusammenleben

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
„Der Reiher gehört dazu und muss auch gegessen haben. Wir treffen in unserer Forellenzucht auch viele andere Tiere an: Rot- und Schwarzmilane, Wintergoldhähnchen Mäusebussarde, Füchse und Krähen mit ihrem fantastischen Kommunikationssystem. Sie alle haben wir gern.“ So äusserte sich Susanne Flückiger, die mit verschiedenen Hilfskräften die Bio-Fischzuchtanlage betreibt. Die „Knospe“ (Bio-Zertifikat) kam 2003 dazu; doch musste nichts verändert werden; die Naturnähe war schon immer das Leitmotiv. Um das Mikroklima in den Weihern zu verbessern, die Gesundheit der Forellen zu stärken und die Verdauung der Tiere zu stabilisieren, werden EM-Effektive Mikroorganismen eingesetzt; dass die Reinigung dadurch vereinfacht wird, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Frau Flückiger, welche die Aargauer Tracht trug, machte mir auf Anhieb einen absolut glaubwürdigen Eindruck. Wenn sie sagte, Chemie habe hier, in ihrer Forellenzucht, nichts verloren, weshalb man auch essen könne, was auf den kleinen Wiesen wächst, war das nur folgerichtig.
 
So etwas bei den ins Waldidyll eingebetteten Fischbecken zu hören, die durch fischende tierische Gäste doch gewinnschmälernd in Mitleidenschaft gezogen werden, erstaunt schon. So verschlingen Reiher pro Tag Nahrung in der Grössenordnung von etwa dem 2.5-Fachen ihres eigenen Körpergewichts, bringen es also auf etwa 5 kg; neben Fischen gehören auch Mäuse, Frösche, Würmer und Schnecken dazu. Zwischen den durch Lufteinleitung zum Sprudeln gebrachten Weihern, die in ein stilles Waldtal am oberen Rand des Dorfs Uerkheim AG (Bezirk Zofingen) eingebettet sind, betätigte sich eine silbergraue Steinziege (Capra Grigia, auch Bergziege) als Rasenmäherin; eine 2. Ziege hatte gerade das Gehege überwunden und musste mit Futter zurückgelockt werden. Diese Rasse gehört zu den bedrohtesten der Schweiz.
 
In den verschiedenen Behältern (Aufzuchtbecken) und in den 9 aus dem Lehmboden ausgehobenen Weihern mit total 800 Quadratmetern Oberfläche und fliessendem Wasser schwimmen vitale Bach- und Regenbogenforellen umher, wachsen langsam heran; das sind monate-, ja jahrelange Prozesse (in der Regel brauchen Forellen bei Bio-Aufzucht 18 Monate bis zur Schlachtreife, für konventionell heranwachsende Tiere genügen 9 bis 12 Monate), die viel Fachwissen erfordern. Die Forellen, die an ihrem Lebensende mit einem Elektroschock getötet werden, haben wesentlich mehr Platz als in den üblichen Zuchtbecken – es sind pro Kubikmeter Wasser 8 bis 10 kg Fische in den Becken. Die Bio-Richtlinien würden eine Besetzdichte von 20 kg/m3 zulassen. Konventionelle Anlagen enthalten oft 100 kg/m3! Die Weiher sind teilweise mit einem Netz geschützt, damit die gefiederten Fischliebhaber nicht alles gleich auf dem Serviertablett vorgesetzt bekommen. Und hier haben sich auch Erfahrungen angesammelt.
 
Die Forellenzuchtanlage an der Kanalstrasse 42, die das Wasser von 3 Quellen und einem kleinen Bach, vom Schäfernbächli, erhält, besteht seit 50 Jahren; sie wurde von ihrem Schwiegervater angelegt. Ihr Mann, Roland Flückiger, ist vor anderthalb Jahren leider verstorben, und seither betreibt Susanne Flückiger die Anlage mit ihren hilfsbereiten „Heinzelmännchen“ beiderlei Geschlechts weiter, fühlt sich in dieser Naturverbundenheit wie im Paradies.
 
Das Convivium Aargau/Solothurn von Slow Food (Präsident: Mauro Catania) besuchte am 17.05.2014 die glücklichen Anlagebetreiber und die Forellen; für eine perfekte Organisation des Anlasses sorgten Wolfgang und Edith Byland aus Buchs/AG. Die gut 30 Personen wurden in die Geheimnisse der Lachsforellen eingeführt, die es eigentlich gar nicht gibt: Es sind im Prinzip gewöhnliche „Rägebögeler“ (Regenbogenforellen, Oncorhynchus mykiss), die mit einem Spezialfütter rotgefüttert werden.  Dem Biofutter ist eine Hefeart, die Phaffiahefe, beigefügt. In konventionëllen Anlagen, nixht aber in Uerkheim, wird Karotin = Rüebli-Farbstoff verwendet; genau genommen handelt es sich um das Carotinoid Astaxanthin, das aus der Alge Haematococcus pluvials gewonnen wird).
 
In der Regel werden von Forellenzüchtern praktisch nur die schnellwüchsigen, aus Amerika eingeführten Regenbogenforellen eingesetzt. Umso erstaunter war ich, zu erfahren, dass in Uerkheim auch unsere einheimischen Bachforelle (Salmo trutta fario) eine bedeutende Rolle spielt, obschon diese Art wesentlich langsamer wächst. Zudem wird eine besonders edle Regenbogenforellen-Art, die dem Alpenlachs ähnliche Starnbergerforelle, weitergezüchtet. Diese beruht auf 5000 Eiern, die der Anlagengründer vor 50 Jahren vom Forschungsinstitut Starnberg in Oberbayern erhalten hatte.
 
Die Fische, die am Ende kulinarischen Zwecken zu dienen haben, werden direkt in der Anlage zubereitet. Wir konnten bereits zum Apéritif einige delikate Spezialitäten degustieren, die hohen Ansprüchen genügten: Forellen-Räucherfilets (warm geräuchert und gewürzt), Lachsforellenfilets, Bradàn (nach traditionellem irischen Rezept geräucherte Filettranche) und Forellen-Kaviar (die Weibchen leben nach dem Abstreifen übrigens weiter). Die Sorgfalt auf allen Stufen entfaltete ihre besten Seiten auch mit Bezug auf den Geschmack.
 
Das nachfolgende Menu bestand aus einem Räucherfilet mit Wildkräuterquark, geschmückt mit einem Ehrenpreis von der Wiese nebenan. Der Höhepunkt waren für mich die saftigen Forellenknusperli mit einem Mantel aus grobem Paniermehl, die 80 Sekunden im heissen Rapsöl schwammen und zusammen mit einer Grillfeuersauce (Kürbis, Cayenne, Zimt) und Blattsalat gereicht wurden. Es folgten Bio-Forellenfilets vom Holzgrill mit Pommes Frites und endlich eine hausgemachte Vanillecreme und Gebäck aus der hochstehenden Küche von Edith Byland. Zu den Fischgängen trank man einen RieslingxSilvaner aus dem Rebberg beim Schloss Kasteln in Oberflachs.
 
In einem Plastikzelt bei etwa 10 °C Aussentemperatur war es etwas kalt, und da wir im Gegensatz zu den Fischen keine Kaltblütler sind, war dies eine Durchhalteübung, die etwas Härte verlangte.
 
Geschäfte der Mitgliederversammlung
Zwischenhinein trank man einen gehaltvollen Weisswein in Demeter-Qualität: eine Assemblage (Mischung) aus Bacchus, Riesling×Sylvaner und etwas Chardonnay („Hermes Cuvée Blanc“) von Walter und Susanne Häfliger, CH-5062 Oberhof. Mauro Catania leitete die Mitgliederversammlung. Er blickte auf die Höhepunkte des abgelaufenen Slow-Food-Vereinsjahrs zurück, das viele Impulse für eine verantwortungsbewusste Lebensmittelauswahl und -zubereitung gab. An den 5 Anlässen (Mehle, indisches Essen, Städtli-Wanderung Aarau, Würste, Pilze) nahmen im Durchschnitt 30 Personen teil. Das Convivium (die Sektion) Aargau/Solothurn hat ein Vermögen von 13 488 CHF, eine Vereinsfolge, nicht der Vereinszweck, der nicht kommerziell orientiert ist, der aber eines gewissen Handlungsspielraums bedarf. Der gewinnende Sizilianer Catania hat viel Sinn für die Heranführung von Jugendlichen zu qualitativ hochwertiger Nahrung und bat in seiner unaufdringlichen und doch werbewirksamen Art um ein Unterstützen des Slow Mobils, ein Koch- und Speisewagen für die Geschmacksbildung im Zusammenwirken mit dem Kochen. Die Kinder sollen zwischen industriell fabrizierter Nahrung und frischem, natürlichen und gesunden Essen unterscheiden lernen. Auch der Einkauf auf Gemüsemärkten gehört dazu. Mit dem Slow Mobil werden Kindergärten, Schulen und Tagesstätten angesprochen.
 
Slow Food: Hier wird nicht im Trüben gefischt, ganz im Gegenteil. Man sucht das Beste, das oft das Herkömmliche ist.
 
Bezugsquellen
Forellen-Spezialitäten aus Uerkheim findet man jeweils am Samstagvormittag auf dem Wochenmarkt Zofingen. Und an Samstagen sind der Hofladen und das Hofbeizli (Anmeldung fürs Forellenstübli erwünscht) in Uerkheim von 13‒18 Uhr geöffnet. Internet: www.bioforellen.ch. E-Mail: bioforellen-flueckiger@hispeed.ch. Tel: +62 721 35 66.
 
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