BLOG vom: 05.06.2014
Politische Gesinnung: Im Irrgarten der Parteienlandschaft
Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
Im Normalfall vertreten die Menschen die merkwürdige Ansicht, man müsse sich zu einer Religion (in der Schweiz zum Beispiel zum Katholizismus oder zum Protestantismus, die hier tonangebend sind) bekennen. In der Regel schleppt man jene Religion ein Leben lang mit sich herum, die einem in die Wiege gelegt worden ist. Dadurch kann man vielen innerverwandtschaftlichen beziehungsweise familiären Schwierigkeiten aus dem Wege gehen.
Ähnlich ist es in der Politik: Man wendet sich einer Partei zu oder aber wird von einer politischen Gruppierung über Freunde, Bekannte und Verwandte vereinnahmt, weil Solidarität erwartet wird. Ich bin gegen Pressionen (Nötigungen) resistent, konnte mich meiner Lebtag nie für irgendeine Religion oder Partei entscheiden. So findet sich selbst in der reich bestückten Parteienlandschaft der Schweiz keine einzige Partei, die alle meine persönlichen Ansichten exakt abdeckt. Das ist gut so. Ich benötige Wissen, aber keine Nachhilfe bei anstehenden Entscheidungen.
Parteien sind im Übrigen wertvolle Einrichtungen. Ich verstehe die Sozialdemokraten, wenn sie sich für begründete Interessen der Arbeitnehmerschaft einsetzen. Auch die „Grünen“ wären mir sympathisch, stünden bei ihnen ökologische Anliegen im Vordergrund und würden sie nicht – häufig genug – den Naturschutz im weitesten Sinne als Deckmantel für sozialistische Anliegen missbrauchen. Von einer Partei erwarte ich Offenheit, Geradlinigkeit und nicht irgendwelche Mätzchen.
Die Christlichdemokratische Volkspartei CVP, aus einer katholisch-konservativen Bewegung heraus entstanden, politisiert angeblich auf einer christlichen Grundlage, empfindet das C aber zunehmend als lästige Belastung. Für mich fiel diese Partei aus Abschied und Traktanden, da ich mich schon in jungen Jahren vom Joch des Katholizismus (und des Christentums überhaupt) befreit habe und von der Vermengung von Staat und Kirche einen Gräuel habe, was ich auch auf mein Geschichtswissen zurückführe: Kirche und Staat kumulierten die Macht; das Volk hatte gegen diese allumfassende Kombination aus Himmlischem und Irdischem nichts mehr zu bestellen, wurde eingeschüchtert und als Manipuliermasse missbraucht. Gehorsamkeit war und ist die erste Christenpflicht. Dasselbe gilt für die Evangelische Volkspartei der Schweiz EVP, das Gegenstück zur CVP als Sammelbecken der erweckten Protestanten, der Evangelikalen, die sich der Autorität der Bibel unterwerfen, und mag diese vor Grausamkeiten und Nonsens noch so strotzen.
Die Freisinnig-demokratische Partei FDP der Schweiz (auch: „Die Liberalen“) gefällt mir auf den ersten Blick nicht schlecht. Das freisinnige „Aargauer Tagblatt“, an dem ich rund 25 Jahre lang redaktionell mitwirkte, lebte den Liberalismus: kritisch gegenüber dem Staat, der sich auf das Nötige beschränken sollte, und die Macht der Religionen sollte auf ihren speziellen Einflussbereich der Gläubigen zurückgeschraubt werden (wir veröffentlichten deshalb ein Musterschreiben zur Erleichterung des Kirchenaustritts). Jene Zeitung verfolgte eine klare bürgerliche Linie ohne linksliberale Tendenzen in Richtung eines riesigen Sozialstaats, eine Linie, die nicht durch irgendwelche Anbiederungen nach allen Seiten verwässert werden durfte und auch den soliden, verlässlichen Charakter des Aargauers zur Geltung brachte.
Die Freisinnige Partei aber verliess mit der Zeit den vorgegebenen und von ihr erwarteten Kurs, vollzog Öffnungen und Anbiederungen in alle Himmelsrichtungen und somit auch nach links, in der Hoffnung, durch solch eine Windfahnenpolitik ihre Mitgliederzahl und damit ihre Bedeutung vergrössern zu können, bewegte sich durch ihre Wankelmütigkeit eher dem Untergang als dem Aufschwung entgegen. Man wusste nicht mehr, woran man war.
Eindeutig rechts positioniert war die aus der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB herausgewachsene Schweizerische Volkspartei SVP, die sich unmissverständlich auch im Zeitalter der Öffnungs- und Vereinheitlichungsbestrebungen namens Globalisierung unter USA-Vorherrschaft für eine unabhängige, selbstbestimmte Schweiz einsetzte, damit am meisten Stimmen gewann (grösste Schweizer Partei) und sich von den weniger erfolgsverwöhnten Konkurrenzparteien diskriminieren lassen musste. In diesem neiderfüllten Umfeld wurde fast in eine kriminelle Ecke gestellt und ausgegrenzt, wer gewisse Sympathien für die SVP-Haltung öffentlich durchblicken liess oder gar auszusprechen wagte. Da seien Populisten am Werk (als ob die Ausrichtung auf die Volksbedürfnisse verwerflich sei), lautet noch der sanfteste Vorwurf. Die weiteren Verunglimpfungen beziehen sich auf Nationalismus (als ob die Solidarisierung mit einem souveränen Staat, der eigenen Heimat, etwas mit Neo-Nazitum zu tun hätte) – Argumentationsexkremente, aus einer Geistesverwirrung heraus abgesondert. So können sich nur Leute äussern, denen es egal ist, wenn sie von Grossmächten wie von der USA mit Lügen und Desinformationen zu Trotteln gemacht werden.
Da ich die SVP in ihrer Grundhaltung wesentlichen Belangen gegenüber zu schätzen weiss (ohne sie und insbesondere Christoph Blocher wären wir schon längst in der Europäischen Union EU, die offenkundig im Wesentlichen als Befehlsempfängerin der US-Weltherren fungiert, und würden, am Euro-Debakel hängend, in finanzielle Abgründe mitgerissen). Selbstverständlich bin ich trotzdem kein SVP-Mitglied, da ich die Haltung dieser Partei nicht in all den übrigen Belangen mittragen kann, sondern mir für jedes Geschäft aufgrund des Beizugs von allen erreichbaren Informationen aus ganz unterschiedlichen Lagern meine eigene, persönliche Meinung bilde. Dazu brauche ich auch keine SVP.
Die politische Haltung hat immer viel mit der persönlichen Herkunft und dem persönlichen Standort zu tun. Wer aus einer Arbeiterfamilie hervorgegangen ist, wird automatisch der SP nahestehen. Meine Eltern hatten in den 1940er-Jahren Sympathien für den „Landesring der Unabhängigen“, der eigentlich die Migros-Partei war. Das Geld war während und nach der Kriegszeit knapp, und die Migros verschaffte den Leuten dank des beherzten Einsatzes von Gottlieb Duttweiler („Dutti“) nun die Möglichkeit, wesentlich preisgünstiger einkaufen zu können, was bis dahin Gewerbekartelle verhindert hatten. Und die Begleiterscheinungen waren ähnlich wie heute bei der SVP: Die fahrbaren Migros-Verkaufsläden mussten an Orten ausserhalb der Dorfzentren anhalten, die kaum einsehbar waren, und als Dutti-Anhänger durfte man sich bestenfalls im engsten Familien- oder Vertrautenkreis zu erkennen geben. Inzwischen wurden die Märkte offener, und nach einer 63 Jahre dauernden Geschichte wurde der LdU Ende 1999 aufgelöst. Seine Mission war erfüllt.
Müsste man solche komplex anmutenden Sachverhalte zusammenfassen, würde sich die Feststellung aufdrängen, die Leute seien entweder links oder rechts positioniert ... links oder rechts von der nicht mehr klar zu definierenden Mitte.
Die direkte Demokratie, für das Wirken der Mächtigen eine Belästigung und eine schwer berechenbare Bremse, ist die wahrscheinlich anspruchsvollste Staatsform, die um jeden Preis erhalten werden muss. Dazu braucht es aber keine strammstehenden Parteisoldaten, sondern verantwortungsbewusste Bürger-Individuen mit einem selbstständigen Denkvermögen, die sich die Freiheit herauszunehmen wagen, zu ihrer Haltung zu stehen und dem eindimensionalen Charakter der globalisierten Welt den Laufpass zu geben und nicht gedankenlos der amerikanischen Konfrontationspolitik zuzujubeln. Die Bewohner aller Länder hätten gern mehr politischen Einfluss; die Schweiz gilt als Vorbild.
„Du schreibst sehr SVP-lastig“, sagte ein lieber Freund kürzlich zu mir, mit dem mich unter anderem die Freude an erlesenen Lebensmitteln und Gerichten verbindet. Ich schätze solche gerade heraus geäusserte Meinungen, wie dies unter Menschen, die in einer guten Beziehung stehen, üblich sein sollte und auch nötig und nutzbringend für beide Seiten ist. Selbstverständlich müssen Kritiker auch die Kollision mit der Retourkutsche tapfer ertragen, zumal ich beste Gründe für meine Haltung habe und meilenweit davon entfernt bin, mich für mein Bekenntnis zur Heimat zu entschuldigen. Jeder darf sich rechtfertigen, wenn er dies für sinnvoll hält. Für mich geht es um Unabhängigkeit, Selbstbestimmung in einem möglichst weiten, vorgegebenen Rahmen, um weit gefasste Freiheiten für den Staat und für mich – und genau das würde ich allen Staaten und ihren Bewohnern aufrichtig gönnen: in Frieden und ohne Attacken von aussen leben zu dürfen ... immer getragen von gegenseitigem Respekt und Korrektheit gegen innen und aussen, garniert von einem mitgestalteten politischen Umfeld.
Wenn es irgendwo nicht gestattet ist, solche Ziele anzustreben, sehe ich mich zum Sprung auf die Barrikaden gezwungen. Von dem erhöhten Posten aus erkennt man, wie die Demokratie-Abschaffer unterwegs sind und wirken: Sie verwedeln Volksentscheide, lassen Worte und Taten auseinander klaffen, verwässern das Bildungswesen nach US-Muster, lenken die Leute zu Allotria ab, geben ihnen rund um Massensportveranstaltungen Gelegenheit zum Abreagieren von Aggressionen, ohne Auswüchse abzustellen, und erklären nach getaner Demolierungsarbeit, das Volk sei ausserstande, über komplexe Sachgeschäfte fundiert genug zu entscheiden (so der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck im Frühjahr 2014 bei seinem Besuch in der Schweiz). Als ob das die gewählten, lobby-gesteuerten Dilettanten in den politischen Gremien besser könnten ... Die Resultate sprechen für sich. Die Völker lehnen sich gegen die Regentenklüngelei auf, auch die Bewohner der EU, welche zu einer politischen Union wurde und die allein schon wegen der versuchten Absetzbewegungen in einer tiefen Krise (2014) steckt.
Die Informationsbeschaffung als Basis für Diskussionen ist heute schwieriger und leichter zugleich, je nachdem, welche Quellen man benützt. Die ins globalisierende Geschehen eingebetteten Handlanger-Medienkartelle präsentieren einen vorgekauten und zurechtgebogenen „linksversiffenen“ (so Akif Pirinçci in „Deutschland von Sinnen“) Einheitsbrei, der sich von Exaktheit und der Vermittlung der in den Zusammenhang gehörenden Angaben verabschiedet hat und auch durch Sprachregelungen und des Kampagnenjournalismus nahe an eine Gehirnwäsche heran kommt. In Bezug auf Tatsachen, die ihnen nicht in den Kram passen, werden die Medien mit ihrer Sklavenmentalität zu Schweigekartellen, betreiben eine perfide Form von Lügen, was sich innerhalb der konzentrierten, beherrschenden Medienkonzernen auch aus der unausweichlichen strukturellen Korruption ergibt.
In die schmerzliche Lücke sind die Sozialmedien gesprungen. Wer als Nutzer das Feingefühl für das Auswählen seriöser und unabhängiger Anbieter entwickelt hat, kommt zu Informationen, die ihm sonst unzugänglich wären, die ihm verborgen blieben. Selektionierende Türsteher an den Informationsportalen, die nur das Genehme durchlassen, gibt es nicht mehr; von solchen Etablissements würde man sich abwenden.
Die Medieninterpretation und die politische Meinungsbildung sind zu Kunststücken geworden, die aufgrund des kritischen Überprüfens und mit genügender Übung und Diskussionen dennoch von jedermann erlernt werden können. Von vielbesungenen Bauchgefühlen zur Tarnung von Geistesschwächen (Hirninsuffizienz) halte ich weniger, werden sie doch durch die auf uns einströmenden Verwirrungen und Verirrungen zusätzlich irritiert.
Man muss, in Anwendung eines Dante-Zitats, die Leute reden lassen und seinen Weg beherzt gehen. Wenn neue Erkenntnisse auftauchen ... umso besser.
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