BLOG vom: 11.07.2014
Elbsandsteingebirge 3: Balkon Europas, Schwedenlöcher
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Am 3. Tag unseres Wanderurlaubs stand ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm, nämlich der meistbesuchte Aussichtspunkt des Elbsandsteingebirges – der Bastei (305 m ü. NN). Es sollte ein ungewöhnliches Erlebnis in einer grandiosen Naturlandschaft werden.
Wer auf die Bastei ausfliegen möchte, kann von Oberrathen ausgehend die Fähre nach Rathen benutzen, oder er beginnt die Wanderung am Bahnhof der Stadt Wehlen. Wanderführer Toni hatte jedoch eine ganz andere Tour ausgeknobelt, um eine weite Anfahrt zu vermeiden und auch nicht die Fähre über die Elbe zu benutzen: Wir fuhren über Bad Schandau und Rathewalde zum gebührenpflichtigen Parkplatz „Amselgrund“ (3 € Parkgebühr/Tag). Von dort wanderten wir innert 30 Minuten zum Kurort Rathen bzw. dem Ortsteil Niederrathen.
Kaum waren wir im Ort, wurden wir schon mit einer Touristengruppe konfrontiert. Es waren vielleicht 50 bis 100 Kinder und Erwachsene, die uns entgegen kamen. Ich konnte nicht glauben, dass alle hinauf auf die Bastei wandern wollten. Es war jedoch so. Wir hielten uns zurück und liessen die Touristen vorausgehen.
Blicken wir einmal auf frühere Zeiten zurück. Als die ersten Reiseführer von den Pfarrern C. H. Nicolai (1801) und W. L. Götzinger (1804) erschienen waren, strömten die Besucher auf die Bastei. Damals gab es Fremdenführer und Sesselträger. „Welch ein Rennen, Reiten, fahren ist´s doch durch den stillen Wald! Wie zur Wallfahrt kommen Scharen hier die Strasse hergewallt. Und es zieht die frohe Menge hin zur herrlichen Bastei. Schon verkünden heitere Klänge, dass sie ferne nicht mehr sei“, berichtete ein Lohmener Schuhmacher, der im Sommer Fremdenführer war. Die Klänge bezogen sich auf böhmische Harfenmädchen, die damals die Touristen mit Spiel und Gesang beglückten.
Heute gibt es keine Harfenklänge mehr und auch keine Sesselträger. Jeder muss zu Fuss die 487 Treppenstufen ohne Hilfe überwinden.
Frohen Muts trabten wir über die Stufen und auf guten Wegen hinauf. Ab und zu überholten wir Ältere und ungeübte Wanderer, die immer wieder verschnaufen mussten. Auch sah ich so manchen Touristen mit leichten Schuhen herumlaufen. Manche Touristen hatten ihre Hunde dabei. Die grösseren mit dichtem Fell mussten öfters mit Frauchen oder Herrchen innehalten. Da war dann ein Hecheln angesagt. Manche hatten ihre Kleinkinder in Tragegestellen dabei.
Basteibrücke und „Balkon Europas“
Nach etwa 35 Minuten erreichten wir die weltbekannte Basteibrücke. Hier drängten sich viele Touristen, so dass wir Mühe hatten, weiterzukommen. Die einstige hölzerne Brücke wurde 1850/51 aus Sandstein errichtet. Dann stockte mir der Atem. Über der Basteibrücke sah ich auf den am weitesten zur Elbe vorspringenden, schmalen Felsrücken dichtgedrängt Menschen hinter einem Absperrgitter stehen. Da dachte ich mir, wenn da was abbröckelt, stürzen die Neugierigen 194 m in die Tiefe. Aber wir vertrauten der Standfestigkeit des Bergs und wagten den Aufstieg zum „Balkon Europas“, wie dieser Aussichtsfelsen genannt wird. Oben angekommen, mussten wir uns auf dem vielleicht 2 m breiten Plateau bis zum Gitter vorkämpfen, um gute Fotos zu machen. Es war ein reizvolles Panorama, das sich uns bot. Über dem Elbtal sahen wir die Tafelberge Lilienstein, dann den Pfaffenstein, Königstein und den Papststein.
Carl Heinrich Nicolai schrieb 1801: „Welch hohe Empfindungen giesst das in die Seele! Lange steht man, ohne mit sich fertig zu werden (…), schwer reisst man sich von dieser Stelle fort.“
Nun wir hatten nicht die Musse, lange dort oben zu bleiben, weil immer mehr Leute nach vorne drängten. Alle wollten ja den schönen Blick geniessen und Fotos machen.
Auch August von Goethe, Sohn von Johann Wolfgang von Goethe, hatte 1819 die schöne Aussicht genossen: „Hier, wo man von den schroffsten Felsenwänden gerade in die Elbe sieht, wo in der kleinen Entfernung der Lilien-, König- und Pfaffenstein malerisch gruppiert liegen und überhaupt dem Auge ein ganzes darstellt, welches mit Worten nie beschrieben werden kann.“
Auf der Bastei gibt es noch weitere touristisch interessante Punkte, so die Felsenburg Neurathen und den Ferdinandstein. Von diesem Felsvorsprung hatten wir einen grossartigen Blick auf die Basteibrücke, die Felsenburg und weitere steil aufragende Felsen.
Reste der Felsenburg (Balkenfalze, aus dem Felsen herausgehauene Räume, eine Zisterne, Steinkugeln, Katapulte) waren auf einem Rundgang zu sehen. Wir begnügten uns mit einem Blick vom Ferdinandstein auf das Burgareal.
Die Basteibrücke wurde 1851 erbaut und weist eine Länge von 76.50 m auf. Sie überspannt mit 7 Bögen eine 40 m tiefe Schlucht.
Die Felslandschaft um die Bastei ist seit 1938 ein Naturschutzgebiet. Heute ist die Bastei Bestandteil der Kernzone des Nationalparks Sächsische Schweiz. Naturschützer verhinderten den Bau einer Bergbahn.
Die Schwedenlöcher
Nach diesen Eindrücken verliessen wir das Basteigelände und wanderten zu den Schwedenlöchern. Es ging über 700 Stufen an bizarren Felspartien vorbei bergab in Richtung Amselsee.
Der Name Schwedenlöcher weist auf die Zeit des Dreissigjährigen Krieges hin. Damals suchten die Bewohner aus den umliegenden Orten Zuflucht in den beinahe unzugänglichen Schluchten. Heute hat man nichts mehr zu befürchten. Die Schweden sind weit weg. Dafür sahen wir etliche Touristen, die vom Amselsee hinauf zur Bastei wanderten. Es waren jedoch nur wenige Leute unterwegs. Wir genossen die Ruhe nach dem Menschengedränge auf der Bastei. Toni hatte die Idee, man solle doch einmal innehalten und 1 Minute nichts sprechen. Wir führten diesen Vorschlag in die Tat um. Da wurde einem erst bewusst, wie lange eine Minute dauert.
Am Ende der Schlucht ruhten wir uns auf einer Bank aus. Da kamen 5 rüstige und mittelalte Frauen eines sächsischen Volleyballvereins vorbei, und wir unterhielten uns kurz. Die Frauenpower-Gruppe sahen wir später in der Nähe von Niederrathen wieder. Sie erholten sich auf einer Bank. Ein Wanderfreund bemerkte beim Anblick dieser geballten Weiblichkeit: „Ihr seht abgekämpft schöner aus als wir frisch.“ Da war das Gelächter gross.
Als wir den 600 m langen Amselsee erreichten, blickten wir auf die hoch über den See befindliche Honigsteinwand mit den Felsgestalten Storchennest, Bienenkorb, Lokomotive und Lamm. Wir konnten unseren Blick von der imposanten Felskulisse kaum abwenden.
Dann ging es über Niederrathen wieder auf demselben Weg zurück zum Parkplatz.
Burg und Stadt Hohnstein
Wir fuhren anschliessend nach Hohnstein. Im „Hotel zur Aussicht“ verzehrten wir Kuchen und tranken Kaffee. Von hier aus hatten wir einen fantastischen Blick auf die Stadt und die auf einem Felssporn thronende Burg Hohnstein.
Besitzer der Burg war früher das böhmische Adelsgeschlecht der Berken von der Duba (dub = Eiche). Durch ständige Fehden war es mit dem ehemals stolzen Adelsgeschlecht bald vorbei. Nachfahren sanken zu Raubrittern herab. Später diente die Burg den Wettinern als Jagdschloss, dann als Staatsgefängnis, dem der böse Spruch anhing: „Wer da kommt nach dem Hohenstein, der kommt selten wieder heim.“
In der DDR war hier eine Jugendherberge untergebracht. Bald nach der Wende wurde die Burg Naturfreundehaus. Erwähnenswert ist ein Museum, das hier untergebracht ist.
Nun wir hatten an diesem aufregenden Tag kein Interesse, die Burg zu besichtigen. Wir genossen, wie schon gesagt, die Ruhe (wir waren die einzigen Gäste!) und die schöne Aussicht auf der Terrasse des Hotels.
Alle waren von diesem Tag begeistert. Dank Toni konnten wir wieder ein Highlight kennenlernen.
Fortsetzung folgt.
Internet
Literatur
„Elbsandsteingebirge“, ADAC Wanderführer, ADAC Verlag, München, 2011.
Strohbach,Heinz: „Basteigebiet“, Herausgeber: Gemeindeverwaltung Lohmen, 2012.
Taube, Angelika: „Festung Königstein“ (Die Bergfestung in der Sächsischen Schweiz), TopSpot Guide, Verlag GbR, Hamburg.
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