Textatelier
BLOG vom: 21.12.2014

Angelologie (Engelskunde): Die Botschaft ist die Existenz

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
Engel (hebräisch, gotisch, altgriechisch, lateinisch: Bote, Abgesandter) findet man in den 3 abrahamitischen, monotheistischen Religionen im Judentum, im Christentum und im Islam.
 
Sie werden als geistige Wesen angesehen, als Halbgötter. In polytheistischen Religionen gibt es gottgleiche Wesen, Halbgötter, die manchmal auch als Engel bezeichnet werden, etwa Deva im Hinduismus. In unserer modernen Zeit begegnet man Engeln auch im esoterischen Bereich.
 
Die folgenden Aussagen sind Zitate aus verschiedenen Quellen:
 
Das Alte Testament
GENESIS 16 und 22
Geburt Ismaels. 7: Der Engel des Herrn fand sie (Hagar, Magd der Saraj) am Wasserquell in der Wüste, an jeder Quelle, die auf dem Wege nach Schur liegt. 9 Ferner sprach der Engel des Herrn zu ihr: „Siehe, du hast empfangen (von Abram) und wirst einen Sohn gebären. Ismael soll er heissen, denn ‚der Herr hat dein Elend gehört.’“
 
Ersatzopfer (statt Isaak). 11: Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu und sprach zu ihm.
 
EXODUS 23
Ostern Pfingsten, Laubhütten. 20: Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, dass er dich auf dem Wege behüte und dich bringe, an den Ort, den ich bestimmt habe.
 
NUMERI 22
25: Die Eselin erblickte den Engel des Herrn; sie drückte sich an die Mauer entlang und drückte dabei Beleams Fuss an die Mauer. 33: „Die Eselin sah mich und wich schon dreimal vor mir aus. Wäre sie nicht vor mir ausgewichen, dann hätte ich dich jetzt getötet, sie selbst aber am Leben gelassen.“
 
DANIEL 3
49: Der Engel des Herrn war zugleich mit den Gefährten des Azarias in den Ofen hinabgestiegen und trieb die Feuerflammen aus dem Ofen heraus.
 
MALACHIAS 1
3: „Siehe, ich sende meinen Boten, dass er einen Weg vor mir bereite! Dann kommt sofort zu seinem Tempel der Herr, den ihr erwartet, und der Bundesengel, den ihr herbeiwünscht.“
 
Das Neue Testament
LUKAS 1 und 2
Verheissung der Geburt Jesu. 26: Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt Galiläas, mit Namen Nazareth; 27: zu einer Jungfrau.
 
Offenbarung an die Hirten.
10: Der Engel aber sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht!
13: Und auf einmal erschien mit dem Engel eine grosse Schar des himmlischen Heeres, die Gott preisen.
 
JOHANNES 1
51: Und er sprach zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen über dem Menschensohn.“
 
OFFENBARUNG 10
Zwischenszene: Übergabe der Offenbarungsschrift.
1: Und ich sah einen anderen mächtigen Engel vom Himmel herabsteigen; er war in eine Wolke gehüllt, über seinem Haupte hatte er den Regenbogen und sein Antlitz war wie die Sonne und seine Beine wie Feuersäulen.
 
Jacob Grimm, Deutsche Mythologie
XXVIII SCHUTZENGEL
S. 729: Der wesentliche Begriff eines Schutzengels ist das Angeborenseins, dadurch unterscheidet er sich von dem Hausgeist (genius familiaris), der sich einem einzelnen Menschen ergibt, aber nicht von der Geburt an. Berthold predigt: „als daz kint lebende wirt an siner muoter liebe, sô giuzet im der engel die sêle în, der almehtige got giuzet dem kinde die sêle mit dem engel în.“
 
XXXIII TEUFEL
S. 292: Lucifer fällt aus dem Himmel, die Engel fallen 3 Nächte und Tage vom Himmel zur Hölle.
 
XXVIII SCHICKSAL UND HEIL
S. 265 Bd. III s.730: Jeder Mensch hat einen eignen engel, aber auch einige Thiere haben ihn. 46: daz einer ieglichen menscheit zwêne engel sint bescheiden: einen guoten, einen leiden iegelich mensche bî im hât. Dagegen heisst es: Gleich bei der Geburt gesellt zu jedem mann sich ein dâmon, der ihn an der Hand durchs Leben führt, ein guter Dämon: denn dass böse dämonen sind, die auch gerechten schaden thun, das wähne nicht. Meander.
 
Der Koran
Einführung: Allah erschuf die Engel – als seine Diener, nicht seine Töchter – und die Teufel sowie die Dschinnen, böse und gute Geister, aus Feuer und die Menschen aus Lehm.
 
Der Koran, der ursprünglich ohne Absicht auf gesammelte schriftliche Aufzeichnung nur für Gedächtnis und Auswendigwiederholung verfasst war – und „alljährlich von Mohammed und dem Engel Gabriel mit der Urtextfassung im Himmel verglichen wurde“.
 
2. SURE
286: Der Prophet glaubt an das, was ihm offenbart wurde, und alle Gläubigen glauben an Allah, an seine Engel, an die Schrift und an seine Propheten.
 
7. SURE
(Adam und Eva im Paradies)
21: Der Satan aber flüsterte ihnen zu, dass er ihnen entdecken wolle, was ihnen verborgen sei, nämlich ihre Scham (Nacktheit), und sagte: „Euer Herr hat euch nur deshalb diesen Baum verboten, weil ihr sonst Engel und ewig leben würdet“.
 
11. SURE
70: Unsere Boten kamen einst zu Abraham, ihm Gutes zu verkünden. (Anmerkung: Nämlich die Engel, welche dem Abraham erschienen, um ihm einen Sohn zu verkünden und Sodom und Gomorrha zu zerstören.)
 
72. SURE
Die Dschinnen
9: Wir versuchten es einst, den Himmel zu besteigen (um das Gespräch der Engel zu hören), aber wir fanden ihn vollkommen von einer strengen Engelswache, mit flammenden Sternengeschossen behütet.
 
74. SURE
32: Und nur Engel haben wir über das Höllenfeuer gesetzt, und die Zahl derselben haben wir zur Prüfung der Ungläubigen bestimmt.
 
Engel jenseits der Bibelreligionen
Soweit die Schriften der 3 grossen Religionen.
 
Engel sind keine Erfindung dieser Religionen.
 
In Persien war der Zoroastrismus verbreitet. Dort sind Yazata der obersten Gottheit beigestellte oder seine mit dem göttlichen Funken berührte Helfer. Malakhim sind Boten von Gottes sittlichem Willen an die Menschen.
 
Im Alten Ägypten könnte die Beschreibung von geflügelten, göttlichen oder gottgleichen Wesen in den Kulten der Isis und des Osiris ein Ursprung der Engelsdarstellung sein.
 
In Mesopotamien erscheinen in den Religionen mit Flügel versehene Gottheiten oder Schutzgenien und „engelsgleiche“ Darstellungen finden sich z. B. in den Königspalästen der Babylonier oder Assyrer in Ninive, Nimrud oder Du Schaarukin.
 
Der klassischen griechischen und römischen Kultur sind Engel als Mittler zu den Göttern unbekannt. Götter selbst greifen in das Leben der Menschen ein oder senden den Götterboten Hermes-Mercurius mit seinem Flügelhelm.
 
Ordnung muss sein: Engelhierarchien
Ursprünglich ohne eine hierarchische Gliederung, entwickelten die abrahamitischen Religionen Hierarchien. Die bekanntesten sind die von Pseudo-Dionysius Areopagita.
 
Die Engelschöre sind zu Dreiergruppen zusammengefasst, die zusammen 3 Hierarchien bilden. An der Spitze stehen Seraphim, Cherubim und Thronoi; in der Mitte sind Kyriotetes, Dynameis und Exusiai; am Ende Archai, Erzengel Archangeloi und Angeloi. Die untere Hierarchie von Engeln fungiert als Sendboten, mit denen auch die Menschen Kontakt haben können.
 
Im 20. Jahrhundert sagte der Theologe Claus Westermann:
„Der Engel kommt ins Sein mit seinem Auftrag, er vergeht mit der Erfüllung seines Auftrags, denn seine Existenz ist Botschaft.“
 
Esoterik
Die Esoterik, und hier meine ich den allgemein üblichen Sprachgebrauch, beschäftigt sich ebenfalls vielfältig mit Engel. Das ist nicht verwunderlich, denn für die linke Politikerin Jutta Dittfurth ist die Esoterik „ein übel riechender Eintopf aus geklauten, ihrem sozialen und kulturellen Zusammenhang entrissenen Elementen aus allen traditionellen Religionen“.
 
In der Esoterik sind die Engel „Lichtwesen“, die über eine hohe Schwingungsfrequenz verfügen. Sie werden als Helfer des Menschen angesehen, und man kann sie in allen Problemlagen um Rat fragen.
 
Ein Beispiel ist „ein ‚himmlisches’ Einweihungsspiel und praktischer Leitfaden für die Begegnung mit Engeln und Schutzengeln“ mit dem Namen „Das Licht der Engel“.
 
Das Spiel hat 78 Karten „der göttlichen Energien“: „In den jenseitigen Welten herrscht vollkommene Ordnung. Jeder Engel hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Bittet man einen Engel um etwas, das nicht in seine Energie und seinen Aufgabenbereich fällt, leitet dieser die Bitte sofort an den zuständigen Engel weiter. Dieser darf aber erst für uns tätig werden, wenn wir ihn bitten.“
 
Es wird genau vorgeschrieben, was man mit den 78 Karten tun muss. „Lege die Karten verdeckt breit gefächert vor Dich hin und erspüre die Energien der einzelnen Karten mit den Handflächen. – Die Engel wirken genau unserer Bitte und Formulierung entsprechend.“ Die Engel, die tätig werden, sind Metatron, die Erzengel Michael, Gabriel, Raphael, Haniel, Camael, Uriel, Japhkiel und andere. Welche Karte kann man ziehen? Beispiele sind 15: „Karmische Erlösung – Michael“ mit dem Gebet: „Du erlöst mich aus den karmischen Verstrickungen vergangener Leben“, 62: „Ausdauer – Camael“, „Du führst mich zu Ausdauer und schenkst mir damit innere Kraft“ und 51: Heilung – Raphael“, „Mit Deinem Licht können Heilkräfte in mir und durch mich wirken“.
 
Ich fürchte, wer nichts „erspürt“, wird wohl keine „Hilfe“ erfahren! 
 
Das war eine kleine Reise durch die Zeit mit den Vorstellungen über Engel. Es kann nicht bestritten werden, dass Menschen meinen, die Gegenwart und Wirkung dieser Wesen zu  spüren und zu erfahren.
 
Naturwissenschaftlich lässt sich das natürlich nicht nachweisen. Aber – was hat William Shakespeares „Hamlet“ in dem gleichnamigen Drama zu Horatio sagen lassen:
 
Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.“
 
Der Angelologe Prof. Dr. Johann Evangelist Hafner, Universität Potsdam, meint: Ist der aktuelle Engelskult eine Mode? Vermutlich. Aber die Engel sind fest in unserer Tradition verwurzelt, sie begegnen uns überall - ob als Putte im Museum oder als Gold-Else im Berliner Tiergarten. Die Kultur ist träge, und ob es uns gefällt oder nicht: Wir werden die Engel nicht wieder los.“
 
 
Quellen
„Die heilige Schrift des alten und neuen Testaments“, Vollständige Ausgabe nach den Grundtexten übersetzt und hrsg. von Prof. Dr. Vinzenz Hamp, et al., Pattloch, Aschaffenburg, erschienen 1964, von 1957.
 
Grimm, Jakob: „Deutsche Mythologie in 3 Bänden“, Drei Lilien Verlag, Wiesbaden, Lizenzausgabe 1992, Graz 1968.
 
„Der Koran“, Lizenzausgabe mit Genehmigung des Goldmann Verlags, München, durch die Deutsche Buch-Gemeinschaft, C.A. Koch’s Verlag Nachf. Gütersloh, o. J.
 
Lackner, Ferry: „Das Licht der Engel“, Windpferd Verlag, Aitrang, 1998, 6. Auflage.
 
Ditfurth, Jutta: „Entspannt in die Barbarei, Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus“, Konkret Literatur Verlag, Hamburg, 2. Auflage 1997.
 
 
 
 
 
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