BLOG vom: 26.02.2015
Die Griechenland-Lehre: Hütet Euch vor einem EU-Beitritt!
Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
Das Gerangel um Griechenland, nachdem dort endlich eine vernünftige Regierung gewählt worden ist, muss oder müsste für Staaten, die bisher nicht auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) hereingefallen sind, insbesondere für die Schweiz, eine heilsame Wirkung ausüben. Die Turbulenzen haben aufgezeigt, wie ein Land über internationale Verflechtungen in ein Schuldenloch getrieben werden kann, aus dem es sich nicht mehr herausarbeiten kann. Natürlich werden es auch andere Länder wie Italien, Portugal, Irland, Zypern, Belgien, Spanien, Frankreich und das Vereinigte Königsreich nicht schaffen, die offene und die verdeckte Staatsverschuldung zu einem wesentlichen Teil zu beseitigen. Die ausgewiesene Verschuldung erscheint in den meisten Pleiteländern wesentlich kleiner als sie tatsächlich ist, da die Bilanzen frisiert sind.
Schulden bedeuten, dass irgendwo Gläubiger auf der Lauer sind, die möglichst viel Zinsen herauswirtschaften wollen und die glauben, das geliehene Geld irgendwann zurück zu bekommen. Eine Schuldenaufhäufung kann auf der anderen Seite zu einer Schuldenfalle werden. Wer darin gefangen ist, ist erpressbar. Das haben der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis, charismatische Persönlichkeiten, die seit dem 26.01.2015 im Amte sind, schmerzlich erfahren müssen. Sie wurden regelrecht erpresst, als sie nach Wegen suchten, die Schäden aus ihren Vorgänger-Regierungen, neuerdings jene des konservativen Andonis Samaras (2012 bis 01.2015) beziehungsweise des Übergangspräsidenten Panagiotis Pikrammenos (Mai/Juni 2012), des Sozialisten Giorgos Andrea Papandreou (2009 bis 2011) und Kostas Karamanlis (2004 bis 2009) usf., mit einem langfristigen, auf einem Schuldenerlass basierenden Konzept allmählich zu beseitigen.
Insbesondere Karamanlis betrieb mit seiner Partei Nea Demokratia eine ausgeprägte Orientierung hin zu Europa, die zu einer enormen Überschuldung führte. Sie kam unter Papandreou ans Licht und konnte auch durch den Wirtschaftsexperten Loukas Papadimos, der vom 11.2011 bis 05.2012 Ministerpräsident war, nicht bewältigt werden. Er verzichtete auf sein Gehalt, ohne dies kundzutun.
Griechenland ist seit 1981 Mitglied der EU. Dieses wirre Staatenkonglomerat begleitete Griechenland einen Schritt weiter als bloss an den Rand des Abgrunds. Es schritt gegen die miserable Steuermoral auf Oligarchen-Ebene wie die weitgehend von Steuern befreiten Reeder und Milliardäre nie ein, schaute zu, wie das Volk verarmte. Ähnliche Zustände in einem noch ausgedehnteren Ausmass sind auch in den USA auszumachen, deren Riesenkonzerne wie Amazon, und Starbucks, Apple einer Besteuerung entgehen; Starbucks zahlt auch in der Schweiz keine Steuern; doch das ist kalter Kaffee.
In der Komödie des griechischen Komödiendichters Aristophanes (ungefähr 450 v. u. Z.) verteilt Plutos, der Gott des Reichtums, aufgrund seiner Blindheit seine Gaben ungerecht, was eine nachhaltige Auswirkung bis zum heutigen Tag gehabt zu haben scheint. Die von Blindheit befallene Troika, neuerdings „Die Institutionen“ genannt (Europäische Zentralbank EZB, Internationaler Währungsfonds IWF und Europäische Kommission), fütterte die griechischen Banken, damit diese Schuldzinsen an die ausländischen Finanzgeier zurückzahlen konnten, die Verschuldung des Lands aber blähte sich auf. Die Troika, die nach Belieben schalten und walten kann, besteht aus nicht gewählten Finanztechnokraten, welche die Eigenarten der betreffenden Länder kaum kennen und für ihr rücksichtsloses Verhalten keine Verantwortung übernehmen müssen, sich nicht darum kümmern, was Privatisierungen (Wasser- und Stromversorgungen, Strassen, Brücken, Strände, Feriengebiete, Bahnen ganze Inseln, Wälder usf. zum Schleuderpreis) fürs Volk bedeuten. Der politische Filz im In- und Ausland aber bereicherte sich am Volksvermögen (Tafelsilber) masslos, bis hin zu US-Hedgefonds, schaute über die Missbräuche hinweg, verschloss die Augen. Die Troika schuf die Voraussetzungen zur Plünderung Griechenlands, in die auch Zypern einbezogen wurde. Dazu gibt es eine vortreffliche "arte"-Dokumentation unter http://www.arte.tv/guide/de/051622-000/macht-ohne-kontrolle-die-troika. Die anderthalb Stunden lohnen sich unbedingt.
Erst als sich die Regierung Tsipras, die vom ersten Tag an eine unwahrscheinliche Dynamik entfaltete, bemühte, dem Land neue, schuldenärmere Perspektiven zu geben, trat die EU knebelnd auf den Plan und will dort nach den Prinzipien der Austerität (Entbehrung, Sparsamkeit) für eine Ordnung sorgen, wo sie die Unordnung mitgestaltet hat. Der EU-Wasserkopf in Brüssel möchte gerade wieder wachsen und besser entlöhnt werden. Auch dieser Wegweiser schreitet den vorgezeigten Weg nicht ab.
Es geht hier nicht um die Niederschrift des jüngsten Kapitels der einst stolzen Geschichte Griechenlands mit seinen Göttern und grossen Denkern, deren Einsichten Jahrtausende überdauerten, sondern das Beispiel wurde nur herangezogen, um aufzuzeigen, wie die Einbindung eines Lands in eine Gemeinschaft, die eine Fehlkonstruktion ist, zwar ein Chaos wohl stimulieren, eine Erholung aber verhindern kann. Weil es innerhalb dieser Gemeinschaft viele Unzufriedene gibt, die noch so gern die Flucht in die Unabhängigkeit antreten würden, müssen die Zügel angezogen werden, um Flächenbrände in Form von Zerfallserscheinungen zu verhindern. Die Zustände sind labil, die Risiken bei einem Auseinanderbrechen für alle gross. Und deshalb so können die Unterdrückungsmassnahmen bis zu einem fiskalischen Waterboarding nach CIA-Foltermethoden reichen, von dem Varoufakis zu Beginn seines finanziellen Unabhängigkeitskampfs in einem Spiegel-Interview sprach. Er umschrieb die Massnahmen der Troika so: Kurz vor dem Herzstillstand dürfe man kurz durchatmen, „dann drückt man uns wieder unter Wasser, und alles geht von vorn los“ (13.02.2015). Und während François Hollande (F) und Angela Merkel (D) in herzlichem Einvernehmen schäkerten, gab Varoufakis in „La Tribune“ zu Protokoll, die ganze Währungsunion sei völlig falsch konstruiert, und das sei Schuld der Franzosen, die mit der Währungsunion die Hand auf deutsche Währungsreserven legen wollten, um über ihre Verhältnisse zu leben; dafür habe Frankreich alle Entwicklungen der Währungsunion akzeptiert und einen „Todestanz“ mit Deutschland begonnen. Und wegen der Guthaben im totgefütterten Griechenland kämpfte das D/F-Zweigespann für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone; wahrscheinlich loderte schon wieder das Schreckgespenst Flächenbrand im Hinterkopf.
Wenn sich eine Mehrheit des Schweizervolks und die von ihm gewählten Politiker und selbst der Bundesrat die Mühe nähmen, einmal kritisch zu beobachten, was innerhalb der EU abgeht, würde das an allen Ecken und Enden immer wieder aufflackernde EU-Beitrittsgenschnorr im Keime erstickt – und zwar definitiv. Natürlich sind wir von EU-Ländern umzingelt, und es ist richtig, zu diesen freundschaftliche Beziehungen zu pflegen und mit ihnen Handel zu treiben. Das ist auch im Interesse der EU-Ländern, denen wir mehr abkaufen als sie uns, weshalb der starke Franken hilfreich ist, abgesehen von hauptsächlich exportorientierten Branchen. Doch irgendein vernünftiger Grund für einen Beitritt ist nicht aufzutreiben. Die masochistischen, meist linksorientierten EU-Turbos verkünden immer wieder ihren Herzenswunsch nach einer „klärenden EU-Abstimmung“. Das Volk soll entscheiden, ob es am bisherigen Weg der Einbindung über bilaterale Verträge oder gleich einen Beitritt haben will. Auf diese Weise hoffen sie, den ersehnten Beitritt erzwingen zu können, vor dem uns bisher weitsichtige Kämpfer wie Christoph Blocher und die Schweizerischen Volkspartei SVP verschont haben. Man kann es ihnen gar nicht genug danken. Perfid sind Machenschaften von BundesrätInnen, die sich vordergründig unabhängigkeitsbewusst geben und hintenherum alles tun, die EU-Zukunft einzufädeln.
Die Schweiz wäre innerhalb der EU eine ergiebige Milchkuh – die Amerikaner haben das pralle Finanzeuter längst bemerkt und plündern uns, wo immer sie nur können, vor allem via Bankwesen. Nimmt man Reiche genügend aus, werden sie eines Tages zu Armengenössigen, und das wäre eine wenig verheissungsvolle Aussicht.
Gewiss, man kann aus allem Kapital schlagen. Je stärker ein Volk verarmt, umso mehr blühen die Sozialdemokraten auf, deren Nomenklatura sich die Volksverelendung auf die rote Fahne geschrieben hat. Ich habe vorab die EU-Turbos im Berner Bundeshaus in Verdacht, dass sie die Schweiz in den Schlund der EU werfen wollen, um persönlich Karriere in Brüssel machen zu können. Mein Verdacht nährt sich aus der Beobachtung, dass PolitikerInnen bereit sind, ihre Prinzipien über Nacht über Bord zu werfen und ihrem Land schweren Schaden zuzufügen, in der Hoffnung, ihr eigenes Wahlresultat aufmöbeln zu können. Ein Beispiel ist die unüberlegte, übers Knie gebrochene Energiewende, welche die Industrie über höhere Stromkosten langfristig schwächt und die Umwelt schädig (Landschaftszerstörung durch Riesenwindräder, die Fledermäuse und Vögel aller Art zerhacken, Sondermüllproduktion in Gestalt von kurzlebigen Solarpanels, um deren Entsorgung sich kein Knochen kümmert).
Bei der Verdummung eines Teils des Volks und den sich daraus ergebenden Geistesverwirrungen kann man nur noch auf Zeitgewinn hoffen, bis weitere Griechenland-ähnliche Demonstrationen auch den grössten Einfaltspinseln die Augen geöffnet haben werden.
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