Textatelier
BLOG vom: 30.03.2015

Ulrich Tilgner über das Scheitern des Westens im Orient

Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
 
 
Für die Anbeter des Sonnenuntergangs im Abendland lieferte Ulrich Tilger, der bis Ende 2014 für die deutschen und den schweizerischen TV-Staatsender (ARD, ZDF, SRF) aus dem Morgenland aus eigener Anschauung konsequent berichtete, schwer verdauliche Kost. Er rückte von der Politik und dem westlichen Medienmainstream mit dessen einheitlichen Denk- und Sprachregeln gezeichnete Zerrbilder zurecht und apostrophierte die „völlig absurde“ US-Politik, die bisher ziemlich genau das Gegenteil von dem erreichte, was sie im Schilde führte: Millionen von Toten und Verwundeten, Flüchtlingsströme, wie es sie in diesen Dimensionen noch nie gab, zerstörte Länder, Strukturen und Kulturdenkmäler. Bei den Flüchtlingen, die zu uns nach Europa kommen, handelt es sich um die Cleversten; denn nur sie schaffen den Ausbruch aus der Chancenlosigkeit.
 
Am Abend des 26.03.2015 sprach der Nahostspezialist Tilgner auf Einladung des Lions Clubs Aarau-Kettenbrücke und getragen von einigen Sponsoren wie der Neuen Aargauer Bank NAB in der Aula der Schweizerischen Bauschule in CH-5035 Unterentfelden AG (Nähe Aarau) vor einem riesigen Publikum, das seine unbeschönigte Berichterstattung regelrecht aufsog. Während Jahren hatte Tilgner von den grossen Schauplätzen im Nahen Osten im weitesten Sinne, die von den Amerikanern als Schlachtfelder auserwählt worden waren, engagiert berichtet, und es schien mir, dass der stattliche Referent mit seiner sonoren Stimme jetzt, von redaktionellen Einschränkungen befreit, sich ohne Zurückhaltung äusserte. Er sprach mir und wohl auch vielen andern Zuhörern, welche den wirklichen Tatbeständen auf den Grund gehen wollten, aus dem Herzen.
 
Islam-Zerrbilder
Vorerst rückte er einige Islambilder gerade. Denn dem westlichen Publikum wird vieles, was uns nicht in den Kram passen kann und als unmenschlich erscheint, als Islam-typisch verkauft; dabei handelt es sich in Tat und Wahrheit oft genug um Sitten und Gebräuche der starken Stämme. Sie vollziehen jeden Befehl ihres Stammesführers, des Scheichs. Die Strafe der Steinigung beispielsweise, eine jahrtausendealte, brutale Hinrichtungsart, hat nichts mit dem Koran zu tun, sie ist aber im Alten Testament beschrieben und ging ins Stammesrecht verschiedener Stämme des Islam ein. Auch die Jungfrauen im Paradies, die auf Attentäter warten, sind koranisch nicht verbürgt, aber man kann sie als offensichtlich wirksame Motivationen für Selbstmordanschläge gebrauchen.
 
Die Stämme sind in der arabischen Welt also eine Grossmacht, und der Islamische Staat (IS, vorher ISIS), hätte keinerlei Chancen, würden sich die arabischen Stämme gegen ihn richten. Doch bewirkt die US-Politik in ihrer grenzenlosen Naivität das Gegenteil: Je mehr Stämme bombardiert werden, desto mehr Zulauf erhält der IS, das heisst, Stämme und IS verbünden sich, arbeiten zusammen. Die Zweckehen sind veränderlich. Bin Laden wurde durch die USA grossgezogen, und Saudiarabien war am IS-Aufbau beteiligt.
 
Folgen strategischer Dummheiten
Die Staaten wie der Irak, welche durch die inszenierten und geförderten Kriege zertrümmert wurden, zerfleddern. Der Irak ist heute das korrupteste Land der Welt, und unter solch einer Gesetzlosigkeit gedeihen die Terroristen-Brutstätten. Unter Saddam Hussein gab es solch desolate Zustände noch nicht … nach 10 Jahren US-„Aufbauarbeit“ sind sie jetzt an der Tagesordnung. Das Chaos als solches kann auch hilfreich sein: Israel braucht es; ohne die Kriege mit den Palästinensern würden die 6-Mia-Hilfsgelder aus den USA nicht fliessen.
 
Etwa die Hälfte der Truppen, wie sie für die von den USA geführten Kriege benötigt werden, stellen private Sicherheitsfirmen (Söldnerwesen). Diese und die US-Soldaten führen sich wie die Berserker auf, verletzen Stammesregeln, betreten unerlaubt private Grundstücke, treten Haustüren ein. Etwa 7 Jahre brauchten die Amerikaner, bis sie herausfanden, dass solche Frechheiten von den Arabern als Kriegserklärung empfunden werden. Einen weiteren, hochnotpeinlichen Gipfel der Dummheit erreichten die Amerikaner, als sie nach der Ermordung von Saddam Hussein stramm standen, wenn sie die vom Ex-Machthaber Hussein eingeführte alte irakische Nationalhymne abspielten, ohne den Reinfall zu bemerken. Und wenn sie etwa in Afghanistan eine Hochzeitsgesellschaft bombardierten, waren sie auf den Hinweis eines Denunzianten hereingefallen, der sagte, es handele sich um eine Taliban-Ansammlung.
 
Hat der Iran die A-Bombe bereits?
Kriegsverbrechen sind an der Tagesordnung, worunter der Einsatz von angereichertem Uran für besonders effiziente Sprengwaffen gehört; Tilgner sprach in diesem Zusammenhang von schweren Missbildungen bei Menschen, die damit in Berührung gekommen waren. Im Hintergrund lauert die Atombombengefahr. Die mit Kernwaffen überreich assortierten Amerikaner wollen den Iran vom Bau einer eigenen A-Bombe abhalten. Ich traute meinen Ohren nicht, als Tilgner sagte, dass der Iran bereits 8 Bomben gekauft habe, worüber keine Zeitung mit Ausnahme der NZZ berichtet haben soll. Meine eigenen Recherchen förderten allerdings keine solche Meldung zutage; vielleicht wurde sie inzwischen gelöscht. Jedenfalls möchte ich Tilgners Glaubwürdigkeit nicht in Frage stellen. Dass ich ihn hier richtig zitiert habe, bestätigten mir verschiedene Zuhörer.
 
Russland und China stehen hinter dem Iran, und sie leisten ihren Beitrag dazu, dass Amerika in der arabischen Welt nicht erfolgreich sein kann. China nützt die Chance, sich in Trümmerländern wie Afghanistan zu engagieren, zunehmend.
 
Strategische Fehlleistungen in Serie
Inzwischen hat selbst das Barack-Obama-Regime, das aussenpolitisch erwiesenermassen total versagt hat, einsehen müssen, dass es seine Terrorismus-Strategie ändern muss. Tilgner konnte sich kaum fassen, als er die absurde Aussage Obamas zitierte, wonach man in Zukunft vermehrt mit Ländern zusammenarbeiten wolle, in denen der Terrorismus Fuss fassen will! So werden die USA nach wie vor und sicher auch in Zukunft Milliarden in den heissen Wüstensand setzen und katastrophale Verhältnisse nach dem Beispiel Irak herbeiführen. Allein die Verpflegung eines einzigen Soldaten kostet etwa 100 USD pro Tag. Aber das Geld fliesst nicht in die verwüsteten Länder, sondern die USA liefern den Frass, zu dem keine Melonen gehören. Zölle wurden abgeschafft, Billigware kommt in die verarmten Länder. Industriezweige sind zusammengebrochen, und laut Tilgner gibt es im Irak keinen einzigen Schuhmacher mehr.
 
Das US-Militär verschlingt 668 Mia. USD pro Jahr, und die eigentlichen Kriegsausgaben kommen noch obendrauf. Die Drohnen sind die neuesten und präzisesten Waffen; von einem automatisierten Krieg wird man sprechen können, wenn sie in Kampfverbänden auftauchen, die von Computern selbstständig gesteuert werden.
 
Das Schmiermittel
Die Aussage, wonach sich viele Kriege ums Erdöl als Wirtschaftsschmiermittel drehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Ölpumpen im Orient arbeiten wegen der leichten Verfügbarkeit des Öls günstig (3‒7 USD kostet die Förderung pro Barrel, im Gegensatz zum schmutzigen Fracking in den USA: 60‒70 USD). Die Golfstaaten verdienen also unheimlich viel Geld mit Öl. China hat keine Ölvorkommen und entwickelt sich zum grössten Ölimporteur. Die umfangreichsten Ölvorkommen aber befinden sich in Venezuela, wo die USA bereits unruhestiftend tätig sind, wie ich beifügen möchte. Ölländer versinken häufig im Chaos, das von aussen herbeigeführt wird.
 
Der Ölpreis wird, wie andere Rohstoffpreise auch, manipuliert. Er orientiert sich nicht an der Realwirtschaft, sondern an der Finanzwirtschaft. So gerät die globalisierte Erde aus den Fugen, und uns bleibt nur noch, das Elend in den zerstörten Ländern zu mildern und Flüchtlingsströme einzugliedern.
 
Afghanistan-Hilfe
Der Erlös des Abends und die Spenden der Gäste ergab eine fünfstellige Zahl. Auf Ulrich Tilgners Vorschlag wird das Geld an die Afghanistanhilfe Schaffhausen (AHS) überwiesen. Die über 80jährige Gründerin, Vreni Frauenfelder, und der Präsident der Stiftung, Michael Kunz, bedanken sich persönlich für die Gaben, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit unterstützen. Der von der Aarauer Präsidentin des Lions Clubs, Karin Lareida, angenehm umrahmte Abend vermittelte dadurch einen Hauch von Zuversicht.
 
 
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