Im Elsass: Petite Camargue und Hartmannsweilerkopf
Diesmal hatte sich unser Wanderorganisator Toni von Lörrach etwas Besonderes ausgedacht, nämlich eine Wanderung mit natur- und kultur-historischen Höhepunkten im benachbarten Elsass.
Wir fuhren zu viert (Claus, „Kanu“-Heinz, Toni und ich) zunächst zur Kleinen Camargue (Petite Camargue Alsacienne) in den Auenwäldern des Rheins unweit von Saint Louis im Südlichen Elsass. Dieses einmalige Naturschutzgebiet kannten wir schon von früheren Wanderungen. Es ist jedoch immer wieder ein Erlebnis, dieses Stück Urwald am Rhein zu erkunden.
1992 wurden 114 Hektar der Kleinen Camargue als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Dies war die 1. Klassifizierung im Elsass. 2006 wurde das Gebiet auf 904 Hektar erweitert und unter ein neues Dekret des französischen Staates gestellt. Dieses regelt den Schutz, die Forschung und die landwirtschaftliche Nutzung.
Ein grosses Lob sollte man dem Verein „Freunde der Kleinen Camargue“ („Amis de la Petite Camargue“) zollen, der sich für die Erhaltung dieser herrlichen Landschaft eingesetzt hat. Heute betreibt der Verein ein Naturschutzzentrum, ein Naturschutzgebiet, ein Universitäts-Feldlabor und eine Vogelwarte. Dazu kommen noch eine moderne Fischzucht und diverse Ausstellungsprojekte.
Eine ausführliche Beschreibung erfolgte bereits in einem Blog vom 24.06.2007 (Kleine Camargue im Elsass: „Entengrütze“ und seltene Tiere), so dass ich mich nur auf wenige Höhepunkte beschränken werde.
In der Kleinen Camargue haben seltene Vogelarten (Rohrweide, Kiebitz, Nachtigall) Frösche, Enten, Sumpfschildkröten (diese wurden hier ausgewildert) und diverse Fische eine neue Heimat gefunden. Die Pflanzenvielfalt in der Verlandungszone und an den Ufern begünstigt die Anwesenheit zahlreicher Tiere.
Auf den Orchideenwiesen wurden bisher 17 verschiedene Orchideenarten entdeckt.
Natürliche Rasenmäher
Wir wanderten auf schattigen Wegen entlang der Auenlandschaft. Es war eine himmlische Ruhe, die später leider durch das Geräusch einer Motorsäge getrübt wurde. Aber wir liessen uns nicht verdriessen, sondern bestiegen etliche Beobachtungsstände, betrachteten die herrliche Auenlandschaft mit den Teichen und hielten Ausschau nach den schottischen Hochlandrindern (Highlandrinder), die hier als natürliche Rasenmäher fungieren. Aber leider erblickten wir diesmal keine, sie hatten sich wohl in schattige Ruheplätze zurückgezogen. Wie wir von einem Naturfreund hörten, waren sie diesmal nur in den frühen Morgenstunden zu sehen.
Bei unserem früheren Besuch sahen wir 2 der Tiere im Wasser stehen. Ich schrieb damals: „Diese braunen Tiere genossen sichtlich das kühle Nass. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre auch zum Abkühlen in den Teich gesprungen. Aber in diesen Teichen dürfen sich ja nur Rindviecher und anderes Getier tummeln. Vielleicht wären aber auch ungebetene Badegäste von den Rindern auf die Hörner genommen worden. Und das wollten wir auf keinen Fall riskieren.“
Auf einer Infotafel konnten wir Näheres über die Eigenheiten der Tiere erfahren.
Es ist eine urtümliche Rinderrasse (Rind der Kelten), es sind grosse Pflanzenfresser (Wiederkäuer), langlebig (bis 20 Jahre fruchtbar), relativ klein (ca. 130 cm Schulterhöhe), haben ein geringes Gewicht (300 bis 600 kg, d. h. geringe Trittschäden), sind wasserliebend (halten sich gerne im Sumpf auf), winterhart (besitzen ein dichtes Winterfell), Robusthaltung (stehen auf Weide ohne Einstallung), sind – wer kann es von uns immer behaupten – gutmütig und leicht zu betreuen, auch sind sie wenig schreckhaft.
Wer hätte das gedacht, die Hochlandrinder entfalten positive Auswirkungen auf die Natur. Die Rinder fressen nicht nur selektiv, besonders Süssgräser und Schilf, sondern haben noch weitere Vorzüge:
Förderung der Blütenpflanzen, auch Orchideen (über 40 % mehr als Mähwiese),
Förderung der Binsen (Riedwiese), Reduktion der Gebüsche (Verbiss), Frass der Keimlinge, Mosaikstruktur im Biotop (erhöhte Artenvielfalt: über 50 % mehr Laufkäfer und Spinnen als Mähwiese), produzieren Mist (Kot), freie Fischwasserzonen.
Sehr beruhigend wirkte auf uns der Blick auf einen See, auf dem eine Entenfamilie schwamm. Wir sahen aber noch andere Enten und einen Fischreiher, der sich auf einen Ast im Wasser niederliess und in aller Ruhe auf Beute wartete.
Der Rückweg führte uns über verschlungene Pfade und über Bohlenwege, vorbei an knorrigen, alten Bäumen zurück zu unserem Parkplatz am Eingang des Naturparks.
Ferme Auberge du Molkenrain
Dann fuhren wir an Mulhouse vorbei über Thann zur Ferme Auberge du Molkenrain.
Anfang August 2011 war ich mit der „Hongkong Swiss Golfmafia“ dort oben.
Es waren Teilnehmer der ehemaligen Handelsvertreter der Schweiz, die ihr Domizil in Hongkong hatten und in Asien ihre Firmengeschäfte tätigten. Mit dabei war Rolf P. Hess, den ich vorher nur per E-Mail kannte (er tritt immer wieder als Korrektor unserer Blogs in Erscheinung). Er lud mich an einem Golffreien Tag (an den übrigen Tagen spielten sie auf 4 Golfplätzen in der Region) zu einer Busreise zum Automobilmuseum Schlumpf in Mulhouse und zur Ferme Auberge du Molkenrain ein. Darüber verfasste ich einen Blog (21.08.2011: „Golf, Weisswürstge, Auto-Raritäten und eine Melker-Mahlzeit“).
Die Melkermahlzeit bestand aus einer vorzüglich schmeckenden Fleischpastete mit Salatgarnierung, dann folgte geräuchertes Schweinefleisch mit Beilagen. Wer da noch nicht genug hatte, konnte sich an Münsterkäse laben. Die Nachspeise bestand wahlweise aus Heidelbeerkuchen mit Sahne und Vanille-Heidelbeer-Eis.
Die Ferme Auberge du Molkenrain wird übrigens von Muriel und Claude Pfanwadel betrieben.
Diesmal konnten wir natürlich nicht so ein üppiges Menü geniessen. Da auf der Ferme Hochbetrieb herrschte (2 Gesellschaften hatten Plätze in den inneren Räumen der Ferme reserviert), mussten wir nach der Bestellung der Speisen beim sehr freundlichen und gut Deutsch sprechenden Wirt uns selbst bedienen und auf der Terrasse vorlieb nehmen.
Wir speisten die sehr gut schmeckenden üppigen Portionen (Fleischpastete, Schäufele mit warmen Kartoffelsalat, Bibeleskäs mit Würsten und Kartoffelsalat), tranken dazu Wein und Hirsch-Bier.
Hartmannsweilerkopf –„Berg des Todes“
Nach dem Mittagsmahl fuhren wir zum nationalen Denkmal am Hartmannsweilerkopf (elsässische Schreibweise: Hartmannswillerkopf). Der Hartmannswillerkopf (956 m ü. NN) war im Ersten Weltkrieg zwischen Deutschen und Franzosen hart umkämpft. Etwa 30 000 deutsche und französische Soldaten liessen hier ihr Leben. 1256 von ihnen sind unter den Kreuzen begraben, die sich auf dem an das Denkmal angeschlossenen nationalen Friedhof erstrecken. Neben ihnen ruhen in 6 Ossarien die Überreste 386 unbekannter Soldaten.
Wir waren von den Dimensionen der unter Denkmalschutz stehenden Gedenkstätte überrascht. Zu dieser Gedenkstätte gehören neben dem erwähnten Friedhof, die Gedenkhalle mit Krypta, das Gipfelkreuz (Kreuz des europäischen Friedens) auf dem Hartmannsweilerkopf und das ehemalige Schlachtfeld.
Wir gingen zunächst auf einen vielleicht 2 m breiten befestigten Weg direkt zum Eingang der Gedenkstätte. Links und rechts des Eingangs waren 2 bemerkenswerte Bronzeskulpturen von Antoine Bourdelle (1861−1929) zu sehen. Der Eingang führt direkt zur Krypta, die wir später aufsuchten.
Wir kletterten über Stufen auf das Dach der Gedenkstätte. Hier fiel uns der aus vergoldeter Bronze bestehende Vaterlandsaltar auf. In den Seiten des Altars sind die Wappen von 12 grossen französischen Städten eingearbeitet. Diese Städte leisteten 1920 einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung des Denkmals.
Von hier oben hatten wir einen beeindruckenden Ausblick auf den nationalen Friedhof, das Gipfelkreuz auf dem Hartmannsweilerkopf. Auf diesem Berg befindet sich das ehemalige Schlachtfeld.
Der Hartmannsweilerkopf wird als der „Berg des Todes“ oder als „Männerfresser“ bezeichnet (Vieil Armand). Er war ab Dezember 1914 bis zum Kriegsende Schauplatz erbitterter Kämpfe. Die Schlachten des Jahres 1915 waren am intensivsten und blutigsten.
Jährlich kommen 250 000 Besucher, davon 60 % Deutsche, an diesen ehemaligen Kampfplatz. Ich finde es gut, wenn solche Mahnmale die wahnsinnigen und unsinnigen Weltkriegskämpfe in Erinnerung rufen.
Einzigartige Überreste
Toni führte uns dann an eine Tafel, die sich unterhalb des Friedhofs am Waldrand befand. Hier studierten wir die Lage des Schlachtfeldes auf dem Bergkamm des Hartmannsweilerkopfes. Auf schmalen Wegen (Markierung roter Ring) gingen wir an Bunker, Stellungen und Schützengräben vorbei zum Gipfel. Auf halben Weg hatten wir einen schönen Blick auf die Berge der Vogesen und auf den höchsten Berg, dem Grand Ballon (1424 m ü.NN).
In der Nähe des Gipfelkreuzes inspizierten wir die Überreste der Kämpfe (Stosstrupp-Taktik) wie Unterstände, Gräben, Bunker, befestigte Stellungen, unterirdische Gänge. Wir zwängten uns durch schmale Gänge, gingen durch einen Tunnel (hier war das Kopfeinziehen angebracht) und erreichten dann einen französischen Beobachtungsstand. Er wurde 1985 wieder an diesem Ort installiert. Es handelte sich um den Typ „Maulwurfshügel“, in Form einer eisernen Halbkugel mit drehbarem Visier.
In der Nähe erblickten wir noch das Kriegerdenkmal des 152. Französischen Infanterieregiments und das kleinere Kreuz der freiwilligen Zeitsoldaten aus Elsass-Lothringen.
Was wir dachten
Bei unserer Exkursion in die Vergangenheit eines brutalen Krieges dachte ich mir, warum eigentlich die Menschen so blöd sind und immer wieder Kriege führen. Aber Kriege werden immer noch von machtgierigen Politikern und unfähigen Präsidenten angezettelt. Alle haben aus der Vergangenheit wohl nichts gelernt. Wann hört das Morden endlich auf?
Da fielen mir noch 2 dazu passende Zitate ein. „Der Krieg zwischen zwei gebildeten Völkern ist ein Hochverrat an der Zivilisation“ (Carmen Sylva). „Im Frieden werden die Väter von ihren Kindern begraben, im Krieg aber die Kinder von den Vätern“ (Krösus).
Ein Wanderfreund äusserte, es wäre ein besonderes Glück, dass wir in einer Zeit des Friedens leben. „Heute können wir überall hinfahren und herumwandern. In Kriegszeiten wäre das nicht möglich gewesen. Wir hätten Gräben ausschaufeln müssen.“
Nach der Exkursion auf dem Berg wanderten wir wieder abwärts und steuerten die Gedenkhalle mit der Krypta an. In der weiträumigen, rechteckigen Gedenkhalle erinnern 6 bronzene Gedenktafeln an alle Einheiten, die damals an diesem strategischen Ort mobilisiert waren.
Die Schlichtheit der Krypta mit dem in der Mitte platzierten Vaterlandsschild aus Bronze (6 m) überraschte mich besonders. Darunter befinden sich die Überreste tausender unbekannter Soldaten. Beeindruckend ist die Bourdelle-Statue der Madonna mit Kind.
Die Beleuchtung finde ich super gelöst:Durch ein diskretes Beleuchtungssystem dringt von oben herab dezentes Tageslicht in die Krypta ein. Das raffinierte Lichtsystem wird durch eine automatische Elektrobeleuchtung ergänzt.
Es ist in der Tat ein Ort der Besinnung.
Das Französisch-Deutsche Museum, das in der Gedenkstätte integriert ist, konnten wir leider aus Zeitgründen nicht besuchen. Im Prospekt konnten wir dies lesen: „Die gesamte Konstruktion wurde auf binationaler Ebene konzipiert und geplant und soll so zu einem bedeutenden Symbol der französisch-deutschen Versöhnung und des Friedens in Europa werden.“ Das sind nötige und hoffnungsvolle Worte.
Am 03.08.2014 (100. Jahrestag der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich) trafen sich hier Bundespräsident Joachim Gauck und der französische Staatspräsident François Hollande.
Kein Aufstieg zum Grand Ballon
An diesem Tag fuhren wir noch bis zum Pass unterhalb des Grand Ballons. Wie schon 2007 geschehen (Blog vom 12.05.2007: „Eine Regenfahrt ins Elsass: Der Grand Ballon war unsichtbar“), zogen dunkle Wolken auf, die keine gute Witterung versprachen. Wir entschieden uns, den höchsten Berg der Vogesen nicht zu besteigen. Wir fuhren dann über Guebwiller und Mulhouse zurück nach Deutschland. Im Café Inka in Ötlingen erholten wir uns bei Kaffee und köstlich schmeckenden Kuchen.
Es war ein ereignisreicher Tag, der uns viele Eindrücke brachte. Besonders bleiben uns sicherlich das Nationalmonument und der Hartmannsweilerkopf mit seinem ehemaligen Schlachtfeld in Erinnerung.
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