Textatelier
BLOG vom: 18.08.2015

Lebensstilveränderungen gegen den Herzinfarkt

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Nach meiner Bypass-OP besuchte ich in der Theresienklinik anlässlich meiner Reha einige Vorträge zu den Themen Schlafstörungen, Stressgefahren, Atemtechnik, Bluthochdruck, Medikamente und gesunde Ernährung. Besonderes Interesse fand ein Vortrag von Prof. Dr. med. Stefan Jost, Chefarzt Kardiologie, Theresienklinik in Bad Krozingen. Er referierte über Risikofaktoren und deren Optimierung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK), Gefässverengungen und/oder Diabetes mellitus.

In meinem Blog vom 30.12.2014 („Die Gefahren für unser unermüdlich schlagendes Herz“) beschrieb ich schon einige Risikofaktoren. Damals ahnte ich noch nichts von meiner Erkrankung der Herzkranzgefässe. Ich verspürte bei Belastungen, besonders beim Bergaufsteigen während Wanderungen, ein Druckgefühl auf dem Brustbein. Da dieses beim Gehen in der Ebene verschwand, dachte ich mir, das könne nicht so schlimm sein. Das Druckgefühl auf dem Brustbein ist jedoch ein Warnzeichen, genauso wie u. a. ein plötzlich auftretender Schmerz, der oft in die linke Schulter oder auf dem Arm ausstrahlt.

Prof. Jost nannte die folgenden Risikofaktoren:

 
Gene
Es gibt eine genetische Veranlagung, die nicht beeinflussbar ist. Zahlreiche genetisch bedinge Risikofaktoren sind heute noch nicht bekannt. Wenn familiäre Fettstoffwechselstörungen und Herzerkrankungen vorliegen, sollte bei den Nachfahren eine genaue Untersuchung des Blutes und der Herzkranzgefässe erfolgen.

Beispiel: Bei einer 23-Jährigen musste auf Grund einer KHK bei den Eltern und Grosseltern eine Bypass-OP vorgenommen werden. Sie war die jüngste Bypass-Patientin aller Zeiten.

 
Zigarettenrauchen
Wer rechtzeitig mit dem Zigarettenrauchen aufhört, senkt das Risiko des vorzeitigen Todes um 50 %. Prof. Jost betonte, dass Zigarettenrauchen vor Depressionen schützt, daher die „Sucht“. Nach Aufgabe des Rauchens zeigen sich Depressionen und Missempfindungen, die jedoch von kurzer Dauer sind. Auch eine Gewichtszunahme durch die Stoffwechselumstellung ist möglich. „Diese ist ungefährlicher als das Rauchen selbst“, so der Referent.

Bei Passivrauchen, Pfeifen- und Zigarrenrauchern ist das Sterberisiko um etwa 30 % erhöht.

 
Erhöhtes LDL-Cholesterin
Das LDL-Cholesterin ist an der Ausbildung von Ablagerungen in den Gefässen verantwortlich. Zu hohe LDL-Werte sollen gesenkt werden. Anzustreben sind Plasmaspiegel des LDL-Cholesterins möglichst deutlich unter 100 mg/dl (optimal <70 mg/dl). „Dies gelingt z.B. durch Gewichtsreduktion, eine an tierischen Fetten arme Kost und regelmässige körperliche Ausdaueraktivität. Meist muss darüber hinaus ein Medikament (Statin) eingenommen werden“, so Prof. Jost. Die Statine senken das LDL-Cholesterin und wirken gegen Entzündungen der Innenhaut.

Auf die Frage, wie es mit den Nebenwirkungen aussieht, bemerkte Prof. Jost, dass die neuen Cholesterinsenker sicher sind.

 
Ernährung
Empfohlen wird eine fettarme, ballaststoffreiche und cholesterinarme Kost. Ein geringer Anteil an gesättigten Fettsäuren und einfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. in Olivenöl, Rapsöl, diese enthalten aber auch noch mehrfach ungesättigte Fettsäuren!) ist nicht schädlich. Manche Fleischsorten und einige Wurstsorten sind fettreich und sollten möglichst nicht verzehrt werden. Kürzlich genoss ich schmackhaften Putenbrustschinken. Dieser enthielt nur 2 % Fett. Ein solches Produkt ist sehr zu empfehlen.

Wir erhielten im Rahmen einer cholesterinsenkenden Kost in der Reha kein Schweinfleisch, sondern Truthahn, Hähnchen, Pute und auch Rindfleisch.

Die Kost sollte reich an Kohlenhydraten (Kartoffeln, Vollkornbrot, Nudeln, Reis) sein. Frisches Gemüse und Früchte sollten immer auf dem Speiseplan stehen.

Omega-3-Fettsäuren schützen vor Herzkrankheiten bzw. dem Herztod. Diese Fettsäuren sind in Seefisch, Walnüssen, Olivenöl und Rapsöl anzutreffen.

Auf die Frage, ob Alkohol schade, hatte Prof. Jost eine gute Nachricht für mässige „Schluckspechte“: „Alkohol in geringen Mengen (1/4 Liter Wein/Tag für Männer, 1/8 Liter Wein/Tag für Frauen) schadet nicht, ausser bei Herzschwäche. Das Gesamtrisiko steigert sich jedoch bei grösseren Mengen.“

 
Übergewicht
Bevor Prof. Jost dieses Thema behandelte, stellt er die folgende Frage an die Zuhörer: „Was machen Sie bei Übergewicht?“ Antwortete doch ein Witzbold: „Fettabsaugen!“ Da hatte er die Lacher auf seiner Seite. Dann wurde es ernst. Der Referent gab dann wichtige Tipps bekannt, um das Übergewicht effektiv zu senken.

Eine grobe Berechnung: Körpergrösse minus 100 = Normalgewicht; + 10 % = mässiges Übergewicht. Diese Grenze sollte nicht überschritten werden.

Was bewirkt Übergewicht? Nun, es verstärkt Diabetes mellitus, Bluthochdruck und erhöht Blutfette.

Eine Gewichtsreduktion von ca. 1 kg/Monat wird durch eine fettarme, gemüsereiche, salatreiche Kost erreicht. Zu beachten ist der hohe Kaloriengehalt bei einer fettreichen Kost und durch Alkohol. „Regelmässiges körperliches Ausdauertraining ist zur Umstellung des Stoffwechsels auf Fettverbrennung sehr wichtig“, so der Vortragende.

 
Bluthochdruck
Der hohe Blutdruck wird als der stille „Killer“ oder als „stumme Gefahr“ bezeichnet, weil die Betroffenen nicht unbedingt diesen spüren. Ein hoher Blutdruck bewirkt auf Dauer eine Schädigung der Gefässe. Die Blutgefässe verlieren an Elastizität und werden enger. Das Herz muss mehr pumpen. Es ist klar, dass die Überforderung das Herz schwächt.

Durch eine konsequente und rechtzeitige Behandlung und eine Änderung der Lebensweise ist es möglich, Folgeschäden an Herz, Nieren, Gehirn und Gefässen abzuwenden und die Lebenserwartung beträchtlich zu erhöhen.

Ein Blutdruck <130/85 mm Hg gilt als normal; erst bei Werten >140/90 mm Hg muss medikamentös behandelt werden (für Diabetiker gilt: <130/80 mm Hg. Der Blutdruck ist erst dann zu niedrig, wenn Schwindel oder starke Müdigkeit auftritt.

 
Stress
Wir unterscheiden den gutartigen, positiven Stress, der für unser Leben notwendig ist und den der Stressforscher Hans Selye als die „Würze des Lebens“ darstellte einerseits und den krankmachenden, negativen oder bösartigen Stress („Distress“) anderseits.

Negativer Stress wird durch Stressoren wie Ängste, Ärger, Aufregung, krankhaften Ehrgeiz, Mobbing, Entscheidungsschwierigkeiten, Enttäuschungen, Scham, Schuldgefühle, Sorgen, Zeit- und Leistungsdruck ausgelöst.

Beispiele für Stressreaktionen sind: Kopf-, Schulter- und Rückenschmerz, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und Hilflosigkeit, Sich-Sorgen, Schlafstörungen, Gereiztheit, Nervosität, Angst, Hyperaktivität und Ruhelosigkeit, Ausgebrannt-Sein (Burnout), Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit.

Auch Trauer kann das Herz belasten. Im Extremfall führt eine solche starke Emotion zu einem Herzinfarkt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom „Broken-Heart-Syndrom“.

Stressabbau: Körperliche Aktivität, schönes Hobby, Entspannungsübungen (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobsen, Eutonie, Yoga, Beten, das Hören von Entspannungsmusik).

 
Bewegungsmangel
Zum herzgesunden Lebensstil gehört eine regelmässige körperliche Bewegung. Pro Woche sollte man drei- bis viermal eine halbe Stunde leichten Ausdauersport betreiben. Zu empfehlen sind flottes Gehen, Wandern, Joggen, Radfahren, Schwimmen, häusliches Ergometer-Training. Jede Zusatzbewegung senkt das Risiko. Solche sind z. B. Treppensteigen, Gartenarbeit.

Die maximale Trainingsherzfrequenz sollte nicht überschritten werden. Es empfiehlt sich das Tragen einer Pulsuhr. Bei mir wurde per Ergometertraining ein maximaler Puls von 110 ermittelt. Ich bin jetzt dabei, meine Gehversuche nicht nur in der Ebene, sondern auch im bergigen Gelände auszuweiten. Am 16.08. 2015 war ich im bergigen Gelände 1 Stunde unterwegs. Die maximale Herzfrequenz lag bei 98.

 
Diabetes mellitus Typ 2 (Altersdiabetes)
Prof. Jost: „Der Altersdiabetes ist eher ein Übergewichtsdiabetes und entsteht durch Verfettung der Körperzellen. Die verfetteten Körperzellen können Zucker und Insulin nicht mehr aufnehmen. Folge: trotz starker Insulinproduktion durch die intakte Bauchspeicheldrüse steigen die Blutzuckerspiegel. Spätfolgen sind Blindheit, Nierenversagen, Beinamputation, Herzinfarkt, Schlaganfall.“ In den 1. Jahren ist dieser Diabetes noch heilbar und zwar durch Gewichtsreduktion und körperliches Training. Wichtig ist auch die Einstellung der Blutfett- und Blutdruckwerte.

Wunschwert des Blutzuckers: <110 mg/dl; 2 Stunden nach dem Essen <150 mg/dl.


Medikamentöse Empfehlung
Am Ende des sehr interessanten Vortrags gab Prof. Jost noch die Medikamente bekannt, die für Patienten mit einer diagnostizierten KHK von Wichtigkeit sind:
Acetylsalicylsäure (ASS): 100 mg/Tag; ASS verhindert die Blutgerinnselbildung in den Blutgefässen.
Beta-Blocker; senken Ruheherzfrequenz und Blutdruck.
ACE-Hemmer/AT-1-Blocker; diese senken den Blutdruck.
Blutfettsenker, am besten untersucht sind Statine.
Anmerkung: Keine Östrogene, diese können das Risiko für Herzinfarkt und Brustkrebs erhöhen.
 
 

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