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BLOG vom: 29.08.2015

Bittere Zucchini: Gifte auch in anderen Nahrungsmitteln

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 

Die kürzlich in der Presse publizierte Meldung über den Tod eines Rentners nach Verzehr einer bitter schmeckenden Zucchini (Deutschschweiz: Zucchetti) löste Verwunderung aus. Deshalb, weil kein Mensch einen Gedanken wegen einer möglichen Giftigkeit bei diesem Gemüse verschwendete.

Hier die Geschichte: Rentner Ludwig A. (79) und seine Frau Inge (80) bekamen von einem Nachbarn eine Zucchini überreicht. Schnell zauberten sie einen Zucchini-Eintopf, der auffällig bitter schmeckte. Der Mann, der zu viel verspeiste, starb kurz darauf. Seine Frau überlebte, weil sie nur eine kleine Menge ass.

Das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA), Stuttgart, warnt vor dem Verzehr von bitteren Zucchini, Gurken, Kürbisgewächsen und Melonen. Diese Nahrungsmittel könnten die giftige Substanz Cucurbitacin enthalten.

In Indien sind nach dem Verzehr von bitteren Kürbissen schon Menschen gestorben.

„Ein normal gesunder Mensch spuckt das entsprechende Gemüse wegen bitterem Geschmacks gleich wieder aus“, sagte ein Analytiker vom erwähnten Untersuchungsamt, der die Speise untersucht hat.

Der Bitterstoff ist aus den genannten Nahrungsmitteln herausgezüchtet worden. So kam es früher immer wieder vor, wenn man die Gurken falsch schälte. Meine Mutter achtete akribisch genau, wo sie das Schälmesser ansetzen musste.

Es kann vorkommen, dass durch Rückmutation und Rückkreuzungen das Gift sich wieder bildet. Dieses Gift entsteht auch, wenn die Pflanze unter Stress steht. Dies ist der Fall bei langanhaltender Hitze. Die Pflanze bildet das Gift, um Frassfeinde abzuschrecken. Aber leider gibt es Menschen, die nicht abgeschreckt werden und munter drauf los futtern.

Auch wurde berichtet, dass im Kleingartenbereich die Hobbygärtner mit eigenen Pflanzensamen jedes Jahr wieder Zucchini hochziehen. Hier könnte dann der Bitterstoffgehalt ansteigen.

Der Bitterstoff geht beim Kochen nicht kaputt

Kai F. schrieb unter www.blick.ch den folgenden Leserbrief: „Das Hobby Gärtnern ist völlig ungefährlich. Der Körper gibt Warnsignale ab, dafür ist die Zunge zuständig. Wenn man nicht darauf hört, dass etwas nicht so schmeckt, wie es schmecken sollte, dann ist das sehr bedauerlich, aber einfach auch unverständlich.“

Einige natürliche Giftstoffe in anderen Nahrungsmitteln sind in den folgenden Kapiteln erwähnt.

Toxische Proteine in Bohnen
In Bohnen, Erbsen und Linsen kommen Proteaseinhibitoren und Lectine vor.

Die Lectine (Hämagglutinine) reagieren mit den roten Blutkörperchen und Darmepithelzellen und behindern deren Funktion. Als Folge kommen Entzündungen und Blutungen im lymphatischen Gewebe vor.

Vorbeugung: Alle Hülsenfrüchte – auch Sprossen – sollten vor dem Verzehr erhitzt werden. Dadurch werden die giftigen Stoffe nach 10 bis 15 Minuten zerstört.

Solanin in Kartoffeln
In grünen Beeren, grünen Tomaten, Kartoffelkeime, grüne Kartoffeln kommt Solanin, ein Glykoalkaloid, am meisten vor.

Vergiftungssymptome sind Kopfschmerzen, Fieber, Erbrechen, Seh- und Hörstörungen, Krämpfe.

Vorbeugung: Durch Putzen und Schälen wird der Solaningehalt reduziert. Während des Kochens wird das Solanin herausgelöst. Die keimenden Stellen sollten abgebrochen und restlos ausgestochen werden. Bei Tomaten wird der grüne Stilansatz entfernt.

Blausäurehaltige Glykoside
Zu den stärksten Giftstoffen und Enzymhemmern gehört die Blausäure. Die Blausäure ist meistens an Zuckerstoffe (Glykoside) gebunden und kommt in Kirsch-, Pflaumenkernen, Limabohnen, Mondbohnen, unreifen Bambussprossen, Leinsamen, Zuckerhirse, Holunderbeeren und Bittermandeln vor.

Leinsamen enthalten nur geringe Mengen der Blausäureverbindung, so dass eine toxische Dosis niemals erreicht werden kann.

Vergiftungssymptome sind Atemnot, Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Pupillenerweiterung.

Vorbeugung: Bittere Mandeln sollten kindersicher aufbewahrt werden. Wenige Bittermandel führen bei Kindern schon zu einer Vergiftung.

Bei Überdosierung mit Holunderbeeren und Blättern kann es zu Übelkeit und Brechreiz kommen. Die schwach giftigen unreifen Beeren sollte man nicht verzehren und die Beeren bei der Saftgewinnung kurz erhitzen.

Oxalsäure im Rhabarber
Zu den oxalsäurereichsten Nahrungsmitteln gehören Mangold (Beisskohl, Römischer Kohl), Rhabarber, Spinat, Kakao, Rote Rübe (Rande).
 
Hier der Gehalt an Oxalsäure (mg/100 g):
 
Mangold
600 − 650 mg
Spinat
440 mg
Kakao
400 mg
Rhabarber
420 − 460 mg
Rote Rübe (Rande)
180 mg

In Kriegszeiten kamen sogar Todesfälle durch den Verzehr von Rhabarberblättern vor, die mehr Oxalsäure enthalten als die Stängel. Die Blätter darf man keinesfalls essen oder an Tiere (Hühner) verfüttern.

Frank Hiepe schrieb in seiner Abhandlung  „Achtung Pflanze“ in der „Badischen Zeitung“ das Folgende:

„Die Oxalsäure im Rhabarbergemüse, die auch das Gefühl der rauen Zähne hervorruft, befindet sich vorwiegend in den Blättern. Geringere Gehalte sind in den Stängeln - in den roten noch weniger als in den grünen. Durch kurzes Eintauchen in kochendes Wasser (Blanchieren) kann man den Oxalsäuregehalt reduzieren.“

Vorbeugung: Das Kochwasser sollte man immer wegschütten. Etwas Milch, Rahm oder Pudding bindet einen Teil der Oxalsäure.

Die Oxalsäure beeinträchtigt die Kalziumresorption, in dem sie das schwer lösliche Kalziumoxalat bildet. Es können auch Kalziumoxalat-Harnsteine entstehen. Oxalsäure wird aber auch im Organismus hergestellt. Es ist ein Stoffwechselzwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels.

Die Oxalsäure erschwert auch die Aufnahme von Eisen im Darm. Deshalb sollten Patienten, die im Rahmen einer Eisenmangelanämie Eisen bekommen, oxalsäurehaltige Nahrungsmittel nicht gleichzeitig mit dem Eisenpräparat zu sich nehmen.

Myristicin in der Muskatnuss
Die Muskatnuss, die Muskatblüte und das Öl sollen als Gewürz immer sparsam verwendet werden. Ein Übermass kann zu Vergiftungen führen.

Vergiftungserscheinungen sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Mundtrockenheit, Pupillenerweiterung, Euphorie, Schwindel, Krämpfe, Rauschzustände, Halluzinationen.

Verantwortlich für die psychotrope Wirkung ist das Myristicin.

Wichtiger Hinweis: Muskatnüsse immer kindersicher aufbewahren!

 
 
Literatur
Schlieper, A. Cornelia: „Grundfragen der Ernährung“, Dr. Felix Büchner – Handwerk und Technik, Hamburg 2004.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
Souci, Fachmann, Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“ (Der kleine Souci-Fachmann-Kraut), WVG, Stuttgart 2004.
 

 


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