Textatelier
BLOG vom: 08.11.2015

Der Schuhlöffel und die Kleiderbürste

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Dieses Paar darf in keinem Haushalt fehlen. Man bedient sich ihrer, ohne sie zu beachten.

“Wir verdienen mindestens Dank für unsere Dienste”, wandte sich der Schuhlöffel an die Kleiderbürste.

Ja”, antwortete die Kleiderbürste, “wir müssen ihm Manieren beibringen". Damit war der Hausherr gemeint. “Aber wie?” fragten sie sich.

“Seine Frau möge uns dabei helfen”, kamen sie zum Schluss. Vor der Haustüre hatte sich eine Kletterrose am Baumstamm einer Birke hochgewunden und durchs offene Oberlichtfenster ihre Klage mitangehört. Auch das Rotkehlchen hatte das erfahren und war der Hausfrau sehr zugetan, weil sie ihm Körner vor der Haustüre streute und den Blechnapf mit Wasser nachfüllte. Es war Herbst geworden, und der Wind blies die Blätter vor die Haustüre. Es regnete und der Blätterhaufen wurde glitschig. Die Staubgefässe der Birke besprenkelten obendrein die Blätter. Somit war die Voraussetzung geschaffen, um dem Hausherr eine Lehre zu erteilen, nachdem ihn seine Frau aufgefordert hatte, für Ordnung vor der Türe zu sorgen.

Otto erschien mit dem Besen und wischte den Vorplatz. Die Blätter schäufelte er in einen Eimer. Dabei musste er sich tief bücken. Wie er sich aufrichtete, krallte sich eine Rosenrute, vom Wind getrieben, rücklings in seinem Pullover fest. Seine Frau war ausser Hörweite im 1. Stock mit dem Staubsauger beschäftigt. Kletterrosen haben heimtückische Dornen mit Widerhäkchen beschickt. Sie kratzen seinen Rücken umso kräftiger, je mehr er sich drehte und wandte. Die Klingel war ausserhalb seiner Reichweite. Seine Gartenschuhe waren wassergesättigt.

“Wie du aussiehst!” erschien endlich seine Frau. “So kommst du mir nicht ins Haus! Warte hier!” befahl sie. Behende erlöste sie ihn von den Dornen. “Warte draussen, ich hole jetzt die Kleiderbürste und den Schuhlöffel”, sagte sie. Sie kam und bürstete zuerst seinen Pullover sauber. “Und mit diesen durchnässten Schuhen kommst du mir nicht ins Haus”, sagte sie und reichte ihm den Schuhlöffel. Otto fluchte, weil er den Schuhlöffel nur mit Mühe in den Verserücken schubsen konnte. “Statt zu fluchen, solltest du dankbar sein, dass wir eine Kleiderbürste und einen Schuhlöffel im Hause haben.”

 


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