Überstehen Sie die "toten Tage und Nächte"!
Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Muttersprache, Viersen/Deutschland
Es ist an der Zeit, Ihnen alles Gute für die „Rauhnächte“ zu wünschen. Diese Wünsche sollten Sie auch weiterleiten, denn es ist eine graue, ein wenig unheimliche Zeit!
Es geht um den Zeitraum zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar. Je nach Region können diese Nächte auch früher liegen, beispielsweise ab der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember, der Wintersonnenwende.
In diesen Nächten treiben mit Fell bekleidete Dämonen ihr Unwesen (man denke an die Bezeichnung „Rauh- oder Rauchware“ für Pelzwaren). Die Gesetze der Natur sind ausser Kraft gesetzt, denn es sind „tote“ Tage und Nächte, Tage ausserhalb der Zeit. Sie passen nämlich nicht in den Mondkalender.
Heutzutage rechnen wir zwar mit dem Sonnenjahr und nicht mit dem Mondjahr, aber sind deshalb diese Tage nicht minder Tage „zwischen den Jahren“, in der dunklen Zeit des Jahres, in der man ungern auf die Strasse geht; Tage, die oft nass und, wie hier im Rheinland gesagt wird, „uselig“, also unangenehm, ungemütlich und kalt sind? (Klingt der Ausdruck nicht ein wenig wie „unselig“?)
Klar, dass die Christen genau in diese Zeit das Weihnachtsfest gelegt haben. Wollen sie damit doch in diese Tage ein wenig Licht und Hoffnung bringen, und vor allem, nicht zu vergessen, den heidnischen Mythologien etwas entgegen setzen, um dieser Weltanschauung Nachdruck zu verleihen.
Wie war das denn jetzt mit diesen Tagen und Nächten, die nicht in die Zeit und Natur einzuordnen waren?
Das Jahr aus 12 Mondmonaten umfasst keine 365, sondern nur 354 Tage, also 11 Tage und 12 Nächte weniger als das Sonnenjahr, und Schaltjahre gibt es auch nicht. So ganz stimmt das nicht, denn die Römer – ursprünglich hatten sie einen 10 Monate dauernden Lunarkalender - schoben bereits Schaltzeitspannen, den Schalttag, -monat und das Schaltjahr mit ein.
Eine andere Möglichkeit war es, „tote“ Tage einzurichten, die nicht in den Kalender passten, die eigentlich nicht existent waren, da sie mit dem Lauf des Mondes um die Erde nicht vereinbar waren, denn die Zeitdauer des Sonnenjahres war viel komplizierter zu berechnen und wurde erst später eingeführt.
Jedenfalls waren diese Tage sehr dazu geeignet, böse Geister auszutreiben, die das Vieh bedrohten und sich in Werwölfe verwandelten. Und das geschah (oder geschieht noch heute?) besonders zu Sylvester.
Was bleibt übrig, um diese Unholde mit viel Knallerei und Feuerwerk abzuschrecken und zu vertreiben? In diesen Tagen lässt sich auch die Zukunft gut vorhersagen, etwa mit Bleigiessen, aus deren Gebilden man Orakel und die Zukunft ablesen kann. Unverheiratete Frauen, die genug Mut aufbrachten, bekamen sogar die Möglichkeit ihren zukünftigen Ehemann als vorübergehende Geistergestalt zu sehen. Mancher Bauer vermeinte auch menschliche Stimmen aus dem Stall zu hören, denn die Tiere konnten in dieser Nacht sprechen und sich über die schlechte Behandlung beschweren. Das allerdings bedeutete auch, dass der Bauer, der das mitbekam, das Jahr nicht überleben würde.
Eine unheimliche Zeit! Begegnen sie ihr mit viel Licht! Singen Sie Lieder! Freuen Sie sich über das Schenken und die Geschenke, die Sie bekommen! Denken Sie unbedingt daran, am Sylvester um Mitternacht wach zu bleiben und Krach zu machen! Alles das wird helfen, das Böse von Ihnen abzuwenden! Passen Sie auf sich auf und alles Gute für das Neue Jahr!
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