Textatelier
BLOG vom: 01.08.2016

Segnung und Fluch der Technik

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

 

In meinen Kindertagen hatten wir in der Familie kein Telefon und keinen Fernseher. Es gab keine Informationen darüber, wo wir uns aufhielten, wenn wir nicht zu Hause waren. Bei längeren Reisen sandte man ein Telegramm, um den Angehörigen zu berichten, dass man gut angekommen war. Ansonsten hoffte man, dass schon alles in Ordnung sei. Wenn nicht, hätte man irgendwann und irgendwie Bescheid bekommen.

Man muss schon fast ein Studium absolviert haben, um die aktuelle Technik richtig zu verstehen und darstellen zu können. Ich versuche es einmal als "aufgeklärter Laie" in verständlicher Sprache!

Heute leben wir in Zeiten der dauernden Erreichbarkeit. Ja, es gibt sogar Möglichkeiten, festzustellen, wo man sich befindet, ohne dass die "aufgespürte" Person überhaupt davon Kenntnis nehmen muss.

Dabei geht es nicht nur um einen Sprachkontakt, sondern auch um die Übermittlung von Bildern und Schrift, von Dokumenten, Fotos und Tonaufnahmen.

Fast jeder Ort der Erde kann mit jedem anderen Ort Verbindung aufnehmen.

Hier in Deutschland ist die Übermittlung überwiegend (noch) zweigeteilt. Es gibt das so genannte Festnetz und das Mobilnetz. Der Festnetzanschuss ist im Haus und versorgt den Abonnenten preiswert "per Flatrate", also über eine Gebühr, die alle Telefongespräche und eine gewisse Zahl anderer Angebote umfasst.

Es gibt eine "Dose" in der Wand, mit dem die Geräte, sei es das Telefon, der Computer oder das "Handy", also auch das mobile Telefon in der Wohnung verbunden wird und zwar per Modem entweder über ein Kabel oder über Funk, WLAN oder WiFi genannt.

Um den Kunden konkurrieren verschiedene Anbieter, "Provider" genannt. Diese wiederum arbeiten mit einem Netzanbieter zusammen.

Die Provider unterscheiden sich in ihren Angeboten, sowohl bei den Kosten für ein Gesamtangebot ("Flatrate"). bei der Zahl der Gespräche, Kurznachrichten ("SMS"), als auch beim Volumen, wie viele Megabites denn mit welcher Geschwindigkeit in Anspruch genommen werden können und natürlich im Preis.

Da ich meinen Unterricht per Videotelefonie mache, z.B. bei Skype (es gibt aber noch andere Anbieter), benötige ich für eine ruckelfreie, störungsfreie und klare Verbindung ein entsprechendes Datenvolumen per Sekunde. (www.germanbyskype.com)

Die Übertragungsgeschwindigkeit, die mein letzter Provider mir zugesichert hatte, wurde nie erreicht. Ich konnte meinen Unterricht selten störungsfrei durchführen. Deshalb entschloss ich mich, einen anderen zu beauftragen.

Dieser andere baut die Verbindung teilweise über Kabel auf, mit der Möglichkeit, darüber auch Fernsehprogramme aus aller Welt empfangen zu können. Es ist aber möglich, nur Teile des Angebotes zu buchen. Ich erhalte mein Angebot an Fernsehsender über einen separaten Satelliten, benötige also nur eine gute Telefon- und Internetverbindung.

Dazu ist ein Modem erforderlich, dass die elektronischen Signale über den Festnetzanschluss an die Geräte übermittelt.

Ich prüfte die Angebote der Provider und entschied mich für den, der schon einige andere meiner Nachbarn, ich wohne in einem Haus mit 36 Parteien, versorgt. Die meisten Nachbarn haben ebenfalls einen Vertrag, der Fernsehen nicht mit im Paket hat. Das bekommen sie über Satelliten oder über andere Möglichkeiten, wie z.B. eine Antennenverbindung mit HDTV.

Nicht alle Nachbarn "ziehen an einem Strang" - hängen an einer Leitung -, sondern durch ein kompliziertes System werden die Signale, seien es die für das Fernsehen, seien es die für das Telefon oder das Internet, die im Haus ankommen, und die von verschiedenen Anbietern "geliefert" werden, auf die einzelnen Wohnungen verteilt. Es gibt also Kabel der Telefongesellschaften, der Internetbetreiber und der Fernsehanbieter.

So nahm das Unheil seinen Lauf. Der Techniker kam, stellte fest, dass. wenn er meinen neuen Anschluss installiere, würden die anderen im Haus keine ausreichende Leistung mehr bekommen und zog wieder ab.

Nach 2 Anfragen und dem Hinweis, dass ich die Tage darauf in Urlaub fahren wolle,
kam nach ca. 2 Wochen ein anderer Techniker. Er fummelte einige Stunden an der Anlage, die vom Heizungskeller aus in die Wohnungen des Hauses über den Verteiler die Versorgung sicher stellen. Er richtete mir ein neues Modem ein, erzählte mir, er müsse in den anderen Wohnungen im Haus bei den Kunden seines Unternehmens auch noch Einstellungen machen, aber das später, und zog wieder ab. Mein Internet würde durch das Unternehmen in ca. 2 Stunden freigeschaltet.

An diesem Nachmittag versuchte ich vergebens, mit dem neuen Internet ins Netz zu kommen. Am nächsten Tag fuhr ich für 2 Wochen in Urlaub.

Zurück aus dem Urlaub bat ich einen Nachbarn, der einige Fachkenntnisse hat, mir bei der Installation zu helfen. Ihm gelang es auch nicht, die Verbindung vom Haus "nach draussen" sei nicht vorhanden. Er erzählte mir, dass vor einigen Tagen ein Techniker bereits an der Anlage gearbeitet hätte.

Ich erfuhr, dass dieses Unternehmen in unserem Haus "Hausverbot" habe, weil die Techniker schon mehrmals Probleme erzeugt hätten, nach ihren Besuchen sei das Fernsehen ausgefallen und anderes.

Ein paar Tage später kam ein Techniker, der einen sehr kompeteten Eindruck machte. Er wechselte mein Modem aus, das er als defekt ansah, arbeitete noch im Keller an der Anlage und mass meine Übertragungswerte, die er zwar nicht als optimal, aber als ausreichend ansah. Mein schnelles Internet funktionierte!

Kaum war er weg, kamen einige Nachbarn an meine Haustür. Ihr Fernseher sei ausgefallen. Es stellte sich heraus, es waren mindestens 4. Wir hatten eine regelrechte Versammlung in meinem Wohnzimmer.

Da die Ausfälle willkürlich erschienen und nicht dort, wo auch "mein" Provider Kunden hatte, dachte ich an eine Koinzidenz. Vielleicht war ja die Satellitenanlage defekt.

Also wurde der Fernsehtechniker, der die Satellitenanlage installiert hatte und für die Wartung zuständig war, angerufen, ebenso das Unternehmen, für das der Techniker, der bei mir war, arbeitet.

Am nächsten Morgen hatte der Versorger des Stromnetzes einen Stromausfall angekündigt, der 4 Stunden dauerte. Trotzdem, dass die Fernsehtechniker darüber informiert waren, kamen sie während der Morgenstunden und warfen einen Blick auf die Anlage im Keller. Sie schimpften auf den Techniker des Providers, der wieder einmal nicht darauf geachtet hätte, dass die Leitungen auch Fernsehimpulse in die einzelnen Wohnungen bringen.

Mittags kamen sie zurück, stellten fest, dass wieder einmal die Verbindungen so gesteckt waren, dass die Fernsehimpulse nicht übermittelt werden und zeigten sich erbost über den Provider-Techniker. Man hätte beide Firmen informieren müssen, damit sie gemeinsam eine Änderung oder Wartung durchführen, um alle erforderlichen Schritte richtig für alle Belange zu erledigt. Dann verschwanden sie wieder, das Fernsehen sei wieder funktionsfähig.

Anschliessend kam "mein" Providertechniker und arbeitete noch einmal an der Anlage.
Er sagte, er habe nichts im Fernsehbereich verändert.

Jetzt hat das ganze Haus wieder Fernsehen und auch mein Computer hat Internet mit einer akzeptablen Geschwindigkeit, die Skypen zu einem Vergnügen macht!

Je komplizierte eine Technik wird, desto anfälliger wird sie! Es scheint kein Zurück mehr zu geben, immer umfangreicher werden die Anwendungsmöglichkeiten und die Verknüpfungen. Jede Autowerkstatt kann ein Lied davon singen.

Ich frage mich, ob das für die Zukunft immer so weiter gehen kann. Ich bin skeptisch!
Die - auch wegen einer Wartung, damit die Leistungsfähigkeit in der Zukunft gewährleistet wird - Stromabschaltung des Netzbetreibers hat gezeigt, wie abhängig wir inzwischen von Elektrizität sind. Bis auf akkubetriebene Geräte läuft absolut nichts mehr: keine Beleuchtung, einige elektrische Uhren, die nicht "gepuffert", also zusätzlich mit einer Batterie versehen sind, auch nicht; kein Telefon, kein Internet, kein Fernsehen, Radio oder die Musikanlage; nicht die Beleuchtung, nicht der Kühlschrank, nicht die Kaffeemaschine oder der Elektroherd, nicht die Klingel und der Öffner an der Haustür, nicht der Aufzug.

In Indien ist es an der Tagesordnung, dass in Städten wie New Delhi oder Bangalore oder auch anderswo der Strom für eine halbe oder eine ganze Stunde am Tag oder abends ausfällt. Als Grund wurden die Klimaanlagen genannt, die sich immer mehr Leute leisten könnten, die aber viel Strom benötigen. Es kann aber auch sein, dass es einfach ein marodes Leitungssystem ist.


(Foto R.G.Bernardy, Rajasthan, Indien)
 

Wir müssen einfach erkennen, dass uns die Technik vielfältige Segnungen gebracht hat, aber auch, dass wir ohne sie nicht mehr existieren könnten!

 


*
*    *

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst