Regional und saisonal: Gesundes Wintergemüse
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Wenn ich in einem Lebensmittelmarkt einkaufe, werde ich immer mit mehreren Theken mit Obst und Gemüse konfrontiert. So gibt es jetzt im Winter Tomaten, Gurken, Orangen, Paprika aus Italien, Spanien und den Niederlanden. Ich suche mir dann immer einheimisches Obst und Gemüse aus. Da bin ich mir sicher, dass bei einem kurzen Transport weniger Vitamine kaputt gehen. Auch auf unseren Wochenmärkten in Schopfheim sind meistens frische regionale Produkte zu bekommen.
Tipps für den Einkauf: Gemüse aus biologischem Anbau bevorzugen. Bioware hat laut Untersuchungen gar keine oder nur Spuren von Pestizidrückständen. Bio-Gemüsesorten sind empfehlenswert und die beste Wahl für eine gesunde und sichere Ernährung.
Gemüse nicht an Verkaufsstellen an den Hauptverkehrsstrassen kaufen (vermehrte Belastung durch Umweltgifte).
Gemüse ist die Lebensmittelgruppe mit der höchsten Dichte an lebenswichtigen Stoffen. Sie sind wahre Schatzkammern, gefüllt mit Vitaminen, Mineralstoffen, Enzymen, bioaktiven Stoffen und Ballaststoffen.
Ein weiterer Vorteil von Obst und Gemüse: Die meisten sind kalorienarm und sättigend. Deshalb bieten sich pflanzliche Nahrungsmittel für eine Gewichtsreduzierung an, weil sie eben weniger Kalorien und Fett enthalten als tierische Nahrungsmittel.
Wirksame bioaktive Stoffe
Die Heilwirkung so mancher Gemüse-und Obstsorten war schon unseren Vorfahren bekannt. In vielen alten Kräuterbüchern sind Hinweise darüber zu finden. Geheime Zubereitungen des Mittelalters wiesen Extrakte oder pulverisierte Bestandteile von Obst und Gemüse auf. Lange Zeit mussten Apotheker bestimmte Gemüse, wie beispielsweise den Spargel, vorrätig halten.
Im Interesse der heutigen Ernährungsforscher stehen die bioaktiven Stoffe. Das sind Verbindungen, die den Stoffwechsel aktivieren. Sie werden von Pflanzen und Mikroorganismen produziert. Sie erzeugen körperliches Wohlbefinden, wirken vorbeugend gegen Krankheiten und können eine Therapie bei bestehenden Krankheiten unterstützen.
Quellen für bioaktive Stoffe sind Obst, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Getreide, Kräuter, Joghurt, Dickmilch und Quark. Zu den bioaktiven Stoffen gehören Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Bestandteile in fermentierten Lebensmitteln.
Zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören Farbstoffe (Carotinoide, Flavonoide, Chlorophyll), Bitterstoffe (Saponine), Duft- und Aromastoffe (Monoterpene, Glucosinolate, Sulfide), Phytosterine, Protease-Inhibitoren und Phytoöstrogene.
Die bioaktiven Stoffe schützen möglicherweise vor bestimmten Krebserkrankungen, stärken das Immunsystem, beeinflussen Hauterkrankungen günstig, treiben Würmer aus, steigern die Leistung und entfalten eine vorbeugende Wirkung auf Herz- und Kreislauferkrankungen.
Betrachten wir einmal einige Wintergemüse, die man in jedem Lebensmittelgeschäft oder auf Wochenmärkten bekommen kann.
Scharfe Stange
Der Meerrettich ist in der Tat der Schärfste unter den Gemüsen und Küchenkräutern. Bei der Zubereitung fliessen schon mal die Tränen; es kribbelt in der Nase, und beim Verzehr verspürt man einen beissenden Geschmack.
Senföle, Vitamin C (115 mg/100 g) und Kalium sind die herausragenden Inhaltsstoffe. Senföle sind für den beissenden Geschmack verantwortlich und entfalten eine antibiotische Wirkung. Nicht zu Unrecht wird der Meerrettich als das „Penicillin aus der Küche“ bezeichnet. Senföle entfalten eine durchblutungsfördernde, appetitsteigernde, harntreibende, hautreizende, entwässernde und schleimlösende Wirkung. Auf Gärungs- und Fäulniserreger im Darm wirken Senföle lähmend.
Meerrettich wird gern zu Roastbeef, gekochtem Rindfleisch und geräucherten Forellen gegeben. Aber auch zur Herstellung von Saucen, Senf, Geflügel- und Kartoffelsalaten, Meerrettich-Quark, Sahne- oder Apfelmeerrettich wird die geriebene Wurzel verwendet.
Unscheinbarer Winterportulak
Der Winterportulak (Postelein, Tellerkraut, Kubaspinat) wird oft als lästiges Unkraut angesehen und in Gärten und Plantagen bekämpft. Der nussig schmeckende Portulak enthält nicht nur Vitamin C, Folsäure und Eisen, sondern auch Omega-3-Fettsäuren.
Die fleischigen jungen Blätter liefern einen schmackhaften Salat und einen grünen Smoothie. Man kann die Blätter auch mit einem Butterbrot geniessen.
Erdige rote Knolle
Die Rande oder Rote Beete bzw. Rote Rübe wird geschätzt von Rheumakranken, Blutarmen, Geistesarbeitern und Spitzensportlern. Wirkt harntreibend, harnsäureausschwemmend, abwehrsteigernd. Die weinrote Knolle verbessert die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff, wirkt günstig auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und spielt in der Krebszusatztherapie eine Rolle. Die Knolle enthält Betanin, Eisen, Kalium und Kieselsäure, Kohlenhydrate. In den Randen sind auch verschiedene Säuren wie Apfelsure, Zitronensäure, Oxalsäure und Salizylsäure.
Während unseres Wanderurlaubs im Pfälzerwald wurde uns zum Abendessen ein reichhaltiges Salatbüffet mit Randensalat (gekocht und angemacht) angeboten. Alle assen davon und waren voll des Lobes.
Weitere Verwendung: Rote Suppe, Randentorte, Randengemüse. Die Knolle schmeckt auch roh geraspelt im Salat mit Äpfeln, Zwiebel und Schafskäse. Die Rande ist auch im Borschtsch mit Wirsing, Möhren, Sellerie, Lauch und etwas saurer Sahne (Rahm) enthalten.
Die erdige Wurzel
Die Schwarzwurzel („Winterspargel“) ist Magen- und Darmkranken, Diabetikern und Nierenkranken ans Herz zu legen. Sie enthält keine Reizstoffe, dafür viel Kalium und wenig Kochsalz. Weitere Inhaltsstoffe sind Magnesium, Kalzium, Vitamine, Ballaststoffe, Kohlenhydrate.
Die schlanken Wurzeln mit korkartiger Rinde werden mit einem Spargelschäler geschält und in kaltes Essigwasser gegeben. Dadurch werden Verfärbungen verhindert. Man kann die Schwarzwurzeln auch nach dem Sieden schälen.
Die Schwarzwurzel wird wie Spargel zubereitet und verwendet. Wir bereiten immer einen Schwarzwurzelsalat oder bringen diese als Beilage zu Pellkartoffeln auf den Tisch.
Carine Buhmann lieferte in unserer Serie „Gemüse und Früchte als Arznei“ in „Natürlich“ (1989 – 1996) auch Rezepte mit Schwarzwurzeln wie Schwarzwurzel-Pilzragout, Schwarzwurzel-Soufflé, Schwarzwurzelgratin und diverse Sossen.
Salate (Krauser Kopf, Feldsalat)
Salate sind kalorienarm, basenüberschüssig. Sie fördern den Appetit und die Verdauung, wirken anregend auf Galle, Leber und Niere. Besonders zu empfehlen sind Salate bei Rheuma, Gicht und Hautkrankheiten.
Wir verwenden im Winter die Endivie und den Feldsalat. Der Feldsalat wird jedoch von allen Familienmitgliedern bevorzugt.
Endivie besitzt den zweithöchsten Kalium- und Eisengehalt aller grünen Salate. Der in der Endivie vorhandene Bitterstoff lässt die Galle und den Harn fliessen.
Der Feldsalat, auch Ackersalat, Rapunzel, Nüsslisalat, Schafmäulchen und Wintersalat genannt, liefert uns von November bis Ende März eine erhebliche Menge Kalium und Vitamin C. Feldsalat ist Spitzenreiter punkto Vitamin C, Eisen und Kalium.
Hinweis: Am 13.06.2013 verfasste ich im Textatelier den Blog „Vollkommene Salate: Stopfen Sie viele Blätter in den Mund.“
Lauch (Porree)
Der Lauch wirkt harntreibend. Empfehlenswert ist er bei Erkrankungen der Niere, des Magens, Darms und bei Gicht. Äusserlich wirkt er in Form von Kompressen bei Mitessern, Geschwüren, Nagelentzündungen, Wunden und Insektenstichen, innerlich entwässernd bei Cellulite, Ödemen und Übergewicht.
Zahlreich sind die Rezepte, in denen Lauch die Hauptrolle spielt. So finden wir die Gemüsepflanze im Pot-au-feu, in der Bündner Gerstensuppe, im Waadtländertopf mit Leberwurst und Kartoffeln, in der französischen Lauch-Kartoffel-Suppe oder in der Lauchtarte. Die Lauchtarte ist eines unserer Lieblingsgerichte.
„Feingeschnittene Lauchstängel ergeben einen köstlichen Rohsalat. In dieser Form kommt auch seine Heilkraft, die harntreibende Wirkung, am besten zum Ausdruck“, schrieb einst Robert Quinche (1906−1993) in seinem Büchlein über Gewürzkräuter.
Knollensellerie, ein Basenlieferant
Im Volk wurde Sellerie als „Potenzknolle“ hochgelobt. Sie scheint weniger geschwächte Männer auf Trab zu bringen als vielmehr Gicht-, Rheuma- und Arthritiskranken zu helfen. Die Knolle ist nämlich befähigt, Stoffwechselprodukte vermehrt auszuscheiden.
Sellerie-Rohkostsalat ist ein vorzüglicher „Darmbesen“. Auch zum Abnehmen ist die Knolle bestens zu empfehlen, weil sie mit 18 kcal/100 g ein Leichtgewicht ist und darüber hinaus noch sättigt.
Sellerie enthält viel Kalium, etwas Magnesium und Kalzium, Vitamin C (8 mg/ 100 g), Ballaststoffe und Kohlenhydrate.
In unserer Familie sind Selleriesalat, Selleriesuppe und panierte und ausgebackene Selleriescheiben sehr beliebt.
Verena Krieger, die früher auch in unserer Serie „Gemüse und Früchte als Arznei“ („Natürlich“) mitwirkte und Rezepte lieferte, kreierte einen Selleriesalat mit Birnen und Tofu.
Hier das Rezept:
Zutaten: 2 EL Sesamöl, 2 EL Rahm, 2 EL Zitronensaft, Pfeffer, Kräutersalz, 400 g Sellerie, 1 Birne, 100 g Tofu, Butter, Koriander.
Zubereitung: Sesamöl, Rahm, Zitronensaft und Gewürze in einer Schüssel verrühren. Den Sellerie auf der Bircherraffel dazu reiben und unterheben. Vor dem Anrichten die Tofuwürfel in heisser Butter wenden und mit Kräutersalz und Koriander würzen. Die Birne ungeschält in feine Scheiben schneiden. Tofu und Birne auf den angerichteten Selleriesalat verteilen.
Heilkräftiger Kohl
Die wichtigsten Kohlsorten sind Blumenkohl, Broccoli, Grünkohl, Rosenkohl, Rot-, Weiss- und Wirsingkohl/Wirz. Besonders der Rosenkohl ist ein ideales Wintergemüse.
Die Kohlarten fördern den Appetit und die Verdauung (z.B. als Sauerkraut). Kohl wirkt bei Hautleiden und Wunden (Auflagen von gequetschten Kohlblättern) und steigert die Abwehr. Kohl enthält Vitamin C, Kalium, Kalzium, Senföle (Isothiocyanate). Broccoli und Rosenkohl haben von allen Kohlarten den höchsten Gehalt an Vitamin C (100 mg bzw. 110 mg/100 g).
Für die einzelnen Kohlsorten gibt es unzählige Rezepte (www.chefkoch.de oder www.pronovabkk.de/rezepte).
Verwendung von Rosenkohl: Rosenkohlsalat mit Orangen, Rosenkohlsuppe mit Mais, Rosenkohl-Getreidegratin, Rosenkohlwähe, Rosenkohl-Kartoffeleintopf.
Literatur
Buhmann, Carine; Hofmann, Barbara; Krieger, Verena; Scholz, Heinz: „Gemüse und Früchte als Arznei“, „Natürlich“ (Ausgaben von 1989 − 1996).
Krebs, Susanna; Loretan, Hildegard: „Die Jahreszeiten-Küche Gemüse“, Erklärung von Bern, Aktion Gesünder essen, Unionsverlag, Zürich 1989.
Scholz, Heinz: „Richtig gut einkaufen“, Verlag Textatelier.com, Biberstein 2005.
Der kleine Souci, Fachmann, Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004.
Profil (Pronova BKK), Ausgabe Winter 2016/17. „Wintergemüse“.
Hinweis auf Blogs über Obst, Salate und Gemüse von Heinz Scholz
15.02.2016 Lauch: Eine Heil-, Gemüse-, Salat und Gewürzpflanze
13.06.2013 Vollkommene Salate: Stopfen Sie viele Blätter in den Mund
17.11.2012: „Äpfel der Hesperiden“: Köstliches aus der goldenen Quitte
03.05.2012: Die Artischocke reguliert Blutfette und hilft bei Völlegefühl
21.05.2011: Erdbeeren, Rahm und Quark: So wurde ein Kuchen gerettet
14.01.2011: Mangold (Beisskohl) und Capuns bringen Biss in Ihre Küche
10.10.2010: Rüebli (Karotte): Nicht nur die Rüeblitorte ist ein Genuss
06.09.2010: Die Melone – kalorienarmer und vitaminreicher Durstlöscher
08.06.2010: Erdbeeren gegen Gicht, Entzündung, Verstopfung, Durchfall
04.08.2009: Pflaumen und Zwetschgen: Ein Genuss zum Dreinbeissen!
25.06.2009: Rosenkohl: Britischer Kapitän verbot das „Teufelsgemüse“
09.12.2008: Von Kohl und Sauerkraut: Die „Besen für Magen und Darm“
01.11.2008: Kürbisse: Sensible Giganten, Wonneproppen und Heilmittel
16.05.2008: Spargeln mit Köpfchen: „Liebliche Speise für Leckermäuler“
20.03.2008: Bärlauch frisch vom Wald in die frühlingshafte Haute Cuisine
29.09.2007: Blickpunkt Erdäpfel: Blauer Schwede und Berber im Kochtopf
13.11.2006: Die Topinambur bringt nicht nur Tupinambas zum Tanzen
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