Pflanzen-Kuriositäten (2): Baumkröpfe und Baumkrebs
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Auf unseren Wanderungen sehe ich immer wieder Bäume mit Stammdeformationen und Wucherungen. Diese wurden als Holzknollen bezeichnet. Wie ich mir sagen liess, wird der Begriff umgangssprachlich verwendet, botanisch versteht man unter einer „Knolle“ etwas anderes. Aber sei´s drum.
Als ich vor vielen Jahren mit einem Botaniker anlässlich eines Urlaubs in Südtirol eine Wanderung vom Weissen See zur Hornalm unternahm, entdeckte ich am Wegrand eine Fichte, die eine mächtige Wucherung in Form eines dicken „Pos“ aufwies. Mein Begleiter betonte, diese krebsartige Wucherung sei die Folge einer Baumverletzung. Die Verletzung könnte durch Insekten, Pilze und Blitzschlag entstanden sein.
Prof. Dr. Bertold Hock, der früher in Freising-Weihenstephan beschäftigt war, hatte eine andere Erklärung: Er vermutet, dass die Holzkropfbildung durch Austreiben schlafender Augen (ruhende Knospen) entstanden ist. Die Störung dieses Vorgangs führt leicht zur Überwallung und damit zur Knollenbildung. Diesen Vorgang erkannte übrigens schon Theodor Hartwig Mitte des 19. Jahrhunderts.
Eine Knolle bildet sich demnach wie folgt: Abtrennung des im Bast ruhenden Knospenteils von der Basis im Holzkörper und Erhaltung des im Bast liegenden Knospenkörpers. Dieser kann infolge der Abtrennung von der Basis nicht mehr austreiben, sondern es wird stattdessen die Bildung runder Holz- und Rindenlagen auslösen. Auf diese Weise entstehen mächtige Holzknollen, die man auch Holzkröpfe, Baumknubbel, Gnubbel, Baumperlen, Hexeneier, Baumlinge, Maserknollen und Kropfmasern nennt. Auch auf Wurzeln können infolge nichtaustreibender Wurzelknospen Knollen entstehen. Im Internet unter www.mein-waldgarten.blogspot.de sind auf einem Foto viele knubbelartige Auswüchse zu Füssen eines Mammutbaumes im Braunschweiger Schulgarten zu sehen. Es ist ein spektakuläres Foto. Solche Knubbelbildungen an Wurzeln habe ich in natura noch nie gesehen.
Dr. Karl-Heinz Häberle, Lehrstuhl für Ökophysiologie der Pflanzen an der Technischen Universität München teilte mir mit, dass die Knolle an der Buche (s. Foto) durch Befall mit Agrobacterium tumefaciens entstanden sein könnte.
Ein Leser schrieb unter www.baumkunde.de , er kenne Knollen auch bei Vogelkirschen. „Man könne einen Baum zu einer Knolle zwingen, wenn man einfach ein Loch bis hinter die Rinde bohrt. Die Verletzung wird mit einer immer weiter wachsenden Knolle geschlossen.“ Dann gab er noch etwas kund: „Macht man diese Löcher im Abstand von 20 cm den Baum hinauf, hat man so in 4 Jahren Fussrasten zum Kirschenklau.“
Es gibt kreative Menschen, die aus kleinen Knollen Kunstwerke basteln. Im Internet sind unter www.baumling.de etliche zu sehen.
Schreinermeister Primo, wie mir Rita Lorenzetti-Hess von Zürich-Altstetten in einer E-Mail vom 06.02.2017 berichtete, besitzt ihr Mann einen dicken Platanenast mit Knollen. Beim Aufschneiden kam eine Maserierung zum Vorschein. Primo sagte, das sei handwerklich nicht zu verantworten. Man kann so ein verdrehtes Holz nicht für einen üblichen Kundenauftrag benutzen. Wenn solches Holz trocknet, nimmt es ganz natürlich eine Propellerform an.
Baumkrebs
Auf Bild 2 sind bei diesem einzelnen stehenden und abgestorbenen Baum viele Knollen zu sehen. Es handelt sich um einen Baumkrebs. Der Baum steht neben dem Mägdebrunnen unterhalb von Obereichsel (Dinkelberg, Landkreis Lörrach D).
Diese Pflanzenkrankheit wird durch Infektion der Rinde und des Holzes mit Bakterien oder Pilze verursacht. Nach einer Infektion reagiert die Pflanze mit starker Bildung von Wundgewebe (Kallus). Sie versucht, die Wunde zu überwallen. Leider ist es so, dass die Zweige oberhalb der Knollen nicht mehr genügend Nährstoffe und Wasser erhalten. Die Zweige verdorren und sterben ab. Der Baum auf meinem Foto macht einen traurigen Anblick. Es sind nur noch einige verdorrte Zweige oberhalb des Stammes zu sehen.
Internet
https://de.wikipedia.org/wiki/Holzfehler
https://de.wikipedia.org/wiki/Baumkrebs
www.waldwissen.net
www.baumportal.de
www.baumkunde.de
www.baumling.de
www.mein-waldgarten.blogspot.de
Literatur
Scholz, Heinz: „Holzknollen: Entgleiste Wundheilungsreaktionen“, „Natürlich“ Nr. 1/1987.
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