Textatelier
BLOG vom: 05.04.2017

Schlaue Krähen bauten nach Entfernung ihrer Nester neue

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Keiner setzt sich drauf: Verschmutzte Bank im Stadtpark
 

„Das alles juckt die Krähen nicht“, war eine Schlagzeile im „Markgräfler Tagblatt“. Im Herbst und auch Anfang März wurden die Nester von Krähen im Stadtpark von Schopfheim entfernt. Die Aktion wurde in die Wege geleitet, weil sich Anwohner über das Dauerkrächzen beschwerten. Darüber hinaus verschmutzten die Krähen mit ihrem Kot nicht nur Ruhebänke, sondern auch Spielgeräte und den Sandkasten eines Kinderspielplatzes. Bei einer Begehung im Stadtpark am 02.04.2017 entdeckte ich auch verschmutzte Gehwege und Mäuerchen. Der Kot war sogar auf den Blättern von Pflanzen zu sehen. Eine stark verschmutzte Bank lud keinen Menschen zum Ruhen ein (s. Foto).
In anderen Städten wurde überlegt, was gegen die Kräheninvasion zu tun wäre. So wurden Uhu-Attrappen oder Flatterbänder ausprobiert. Auch wurden Sonnensegel über Kinderspielplätzen angebracht. Nester wurden entfernt. Alle Massnahmen entpuppten sich als nicht erfolgreich.
Die schlauen Krähen fanden zwar ihre Nester nicht mehr, dafür bauten sie mit einem Eifer neue. Inzwischen sind schon wieder im Stadtpark von Schopfheim über 30 Nester auf den hohen Bäumen zu sehen. Und sie krächzen voller Inbrunst. Wenn man durch den Stadtpark flaniert, dann muss jeder Besucher aufpassen, dass er ohne Verschmutzung seiner Kleider oder seines Hauptes da wieder sauber raus kommt. Ich schaue dann immer instinktiv nach oben und habe dann den einen oder anderen Schwarzen im Visier.

„Eigentlich sind wir mit unserem Latein am Ende“, räumt die Ordnungsamtsleiterin Cornelia Classen mit Blick auf die Vertreibung der Krähen ein. Das beste Mittel wäre ein Abholzen der hohen Bäume. Aber das will keiner.

Auch am Flosskanal in Schopfheim war ein Krähenkonzert zu hören. Anwohner beschwerten sich. Dann wurden dort die Bäume gefällt. Ein Anwohner schrieb in einem Leserbrief, nun fühle er sich wohl und geniesst die Ruhe ohne Krähen. Andere bescherten sich wegen der Abholzung.

Die Stadt will nun regelmässige Kontroll- und Reinigungsgänge unternehmen. Die Ordnungsamtsleiterin appelliert an Parkbesucher und Kunden des in der Nähe befindlichen Imbissstandes, doch keine Essensreste zurückzulassen. Die Krähen sind nämlich scharf auf die weggeworfenen Verpackungen mit Essensresten. Die Krähen sind so schlau, sie wühlen auch in Abfallkörben nach Futter.

 


Schlaue Krähen bauten neue Nester
 

Wie intelligent sind Krähen?
Nun nahm ich wieder einmal das Buch „Rabenschwarze Intelligenz“ vom renommierten Biologen Josef H. Reichholf zur Hand. Besonders  interessierte mich das Kapitel  „Die Intelligenz der Krähenvögel“. Da wurde mir wieder klar, warum die Krähen nicht nur in Schopfheim so schlau sind. Die Vögel zählen in der Tat zu den intelligentesten Vögel. „Sie schwindeln, unterscheiden Freund und Feind und passen sich erstaunlich gewitzt an die Menschenwelt an.“ Dies war auf dem Klappentext des Buches zu lesen.

Zunächst eine eigene Beobachtung. In der Nähe unserer Wohnung steht an der Feldbergstrasse in Schopfheim ein alter Nussbaum. Ab und zu fällt im Herbst eine Walnuss (Baumnuss) vom Baum, manche davon werden von Autos überfahren. Bald darauf tauchen Krähen auf und picken die Weichteile der Nuss heraus. Einmal beobachtete ich eine Krähe, die mit ihrem Schnabel eine Nuss hielt, nach vielleicht 10 m nach oben flog und diese dann heruntersausen liess. Sobald die Nuss aufplatzte, flog die Krähe herunter und begann mit der Mahlzeit. Wenn die Nuss sich als härter erwies und nicht aufplatzte wiederholte die Krähe diese Prozedur.
Josef H. Reichholf beobachtete Rabenkrähen am Pasinger Bahnhof in München. Die Vögel warfen Walnüsse auf den Granitschotter der Bahngleise, aber nur dort, wo nur ab und zu rangiert wurde.
Und noch eine andere Beobachtung brachte den Biologen zum Staunen. Auf stark befahrenen Strassen, wie auf der Münchner Verdistrasse, warteten die Vögel die Rotphase der Ampel ab, flogen von einem Dach und legten Nüsse auf die Fahrbahn. Dann warteten sie die nächste Rotphase ab und pickten das Innere der zerquetschten Nüsse auf.
Auch im Verstecken von Nüssen sind die Vögel wahre Meister. Die Rabenkrähen finden sogar versteckte Nüsse im Schnee.
Die Rabenkrähen lernen das Abwerfen durch Nachahmung. Vögel, die aus anderen Stadtteilen kamen und noch nicht das Abwerfen praktizierten, beobachteten genau, was ihre Artgenossen machten.

Die „Schwarzfedrigen“
Kaum zu glauben ist die Tatsache, dass die Krähen nicht singen, sondern krächzen. Trotzdem werden sie als Singvögel betrachtet, da sie näher mit der Nachtigall als mit Hühnern oder Tauben verwandt sind.
Wer ist nun „Rabe“, Krähe“ oder „Rabenkrähe“? Da werden sogar Vogelkundler verlegen. Dazu Josef H. Reichholf:  „Raben sind die Grossen, Krähen die Kleineren und Dohlen die Kleinen Schwarzen unter den schwarz gefiederten Rabenvögel. Oder heisst es Krähenvögel?“
Zur Gattung der „Rabenvögel“ (Corvidae) gehören 115 verschiedene Arten, darunter sind 42 Arten der Gattung Corvus der weitgehend oder ganz schwarz gefiederten Raben, Krähen, Kolkraben, Dohlen. Die übrigen Arten der Familie sind mehr oder weniger bunt, wie der Eichelhäher, der Blauhäher, die Elstern und Kittas.

Rabenväter und  diebische Elster
Zu Unrecht wird der Rabe als „Galgenvogel“ bezeichnet. Die Redewendung „Ein Rabenvater sein“ bedeutet seine Kinder schlecht behandeln, ja grausam behandeln. Die Redensart wurde deshalb geboren, weil man glaubte, die Raben würfen ihre Jungen aus dem Nest, wenn sie ihrer überdrüssig wären. Daher Rabenvater, Rabenmutter, Rabeneltern.
Konrad von Megenberg ist schuld, da er 1350 in seinem „Buch der Natur“ dies berichtet hatte.
Eine weitere Redensart ist „Stehlen wie die Raben“ bzw. „Er stielt wie ein Rabe“. Die Redensart wird erstmals 1495 in Stielers Werk „Der Teutschen Sprache Stammbaum“ erwähnt. Wahrscheinlich beobachtete der Verfasser schon damals die Vorliebe der Raben und Elstern („Die diebische Elster“) für blitzende Gegenstände.

Internet
www.nabu.de (Zu Unrecht verfolgter „Galgenvogel“)
de.wikipedia.org (Raben und Krähen)

Literatur
Reichholf, Josef H.: „Rabenschwarze Intelligenz“ (Was wir von Krähen lernen können), Herbig Verlag, München 2009.

 


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