Textatelier
BLOG vom: 06.05.2017

Fliegenkesselfalle, Zipperleinkraut, „Bettseicher“

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) zeichnet sich durch viele interessante Erlebnisprogramme für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien aus. Bei den Programmen sollen Schwerpunkte einer zukünftigen Entwicklung, wie zum Beispiel Naturschutzgebiete, Bannwälder, Landschaften, Wanderwege und auch Betriebe, die sich für erneuerbare Energien stark gemacht haben, vorgestellt werden.

Am 30.04.2017 fand eine Wald-Exkursion statt. Ziel war es, den noch lichten Laubwald am Dinkelberg-Nordabhang zwischen Maulburg und Steinen zu erkunden. Die Exkursion stand im Zusammenhang mit dem BUND-Sommererlebnisprogramm zum Thema „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Waldes im südlichen Schwarzwald“. Mehrere Veranstaltungen sind in den Monaten Juni bis September geplant.
Die Führung hatte Dr. Ruth Noack. Begleitet wurde die Exkursion vom Leiter der BUND-Ortsgruppe Schopfheim, Klaus Böttger.
Treffpunkte der Führung waren der Friedhof Maulburg und gegenüber am Kinderspielplatz. Insgesamt fanden sich 10 Teilnehmer und ein 15-jähriger Hund ein. Nach einer kurzen Einführung der Exkursionsleiter ging es auf schattigen und bequemen Waldwegen von Maulburg nach Steinen-Höllstein.

 


Die Initiatoren der Exkursion: Klaus Böttger (links) und Dr. Ruth Noack (rechts im Bild)
 

Dr. Ruth Noack informierte die Teilnehmer mit ihrem grossen Wissen über die am Wegrand wachsenden zahlreichen Pflanzen, aber auch über Bäume und Sträucher. Alle waren über den grossen Artenreichtum von Pflanzen überrascht.
Neben vielen noch nicht blühenden Pflanzen, sahen wir einige, die ihre Blütenpracht zeigten. Darunter waren das Lungenkraut, der Waldmeister,  die Knoblauchsrauke, der Silberling, Beinwell, die Rote Lichtnelke, Hahnenfussgewächse und Taubnesselarten.
Besonders erfreut waren wir beim Anblick einer Knabenkrautart, die nur in einem einzigen Exemplar an einer sonnigen Stelle herangewachsen war.

 


Eine schöne Orchidee ist das Knabenkraut
 

Fliegenkesselfalle des Aronstabes
Über den Aronstab wusste Frau Dr. Noack Interessantes zu berichten. Der Aronstab (die Teilnehmer sahen nur grünlichweiße Hüllblätter) ist geschützt und alle Teile sind giftig.  Der Aronstab hat eine raffinierte Bestäubungstechnik mit Hilfe einer Fliegenkesselfalle. Sobald der braunrote Kolben erscheint, sendet dieser einen Aasgeruch aus, der Fliegen und andere Insekten anlockt. Die Insekten fallen in einen Kessel, in dem sich männliche und weibliche Blüten befinden. Sie bleiben so lange gefangen, bis die Bestäubung erfolgt ist. Dann erschlaffen die sich über den Blüten befindlichen Härchen und die Bestäuber kommen wieder frei.

Das Zipperleinkraut
Am Wegesrand wuchs der Gewöhnliche Geissfuss oder Giersch, der auch als Zipperleinkraut bezeichnet wird. Die Pflanze wurde früher bei Gicht gebraucht. Er ist aber auch als Wildgemüse und Salat beliebt. In vielen Kräuterbüchern wird der Giersch nicht erwähnt, vielleicht deshalb, weil der Doldenblütler giftige Verwandte hat. Dr. Petra Orina Zizenbacher gibt in ihrem Heilpflanzenbuch eine genaue Beschreibung der Pflanze, um Verwechslungen zu vermeiden. Der Blattstiel ist im Querschnitt dreieckig. Die Blätter, die die Form eines Ziegenfusses haben, riechen angenehm würzig. Der Geruch erinnert an Petersilie.

Die „ungleichen Schwestern“
Das zu den Borretschgewächsen gehörende Lungenkraut (Pulmonaria officinalis) wurde früher bei Lungenkrankheiten angewandt. Dies hängt mit der Signaturlehre zusammen. Die breit-lanzettlichen, gefleckten Blätter erinnern nämlich an das menschliche Lungengewebe. Die Pflanze ist nur noch in der Volksmedizin als schwach reizlinderndes und auswurfförderndes Hustenmittel bedeutungsvoll. Man kann die jungen Rosettenblätter zu gemischten Salaten, Gemüse oder Suppen verwenden.
Besonders hübsch empfanden wir die Blüten. An einer Pflanze sahen wir rote und violette Blüten.
Volksnamen: Fleckenkraut, Güggeli (Baden), blaue Schlüsselblume, Königsstiefel, Annemirl, Gugguggsblumm (Pfalz; Blütezeit zur Zeit des Erscheinens vom Kuckuck). Wegen der verschiedenen Blüten – zuerst rot, dann violett – heisst das Lungenkraut auch Ungleiche Schwestern, Adam und Eva, Tag und Nacht, Hänsel und Gretel und Vater- und Mutterschüsseli.

Silberblatt im Buchenwald
Eine Überraschung waren einige Pflanzen des Silberblattes (Judas-Silberling, Judas-pfennig, Silbertaler, Garten-Mondiole). Es ist eine Pflanze des Bauerngartens, sie verwildert regelmässig. Es gibt Pflanzen mit purpur-violetten und weissen Blüten. Aus den Blüten bilden sich später Samenschoten, die wie aufgehängte Silbertaler aussehen.
Die Gäste der Exkursion staunten als sie erfuhren, dass die Hainbuche gar keine Buche ist, sondern ein Birkengewächs. Anhand einer Jungpflanze konnte man die faltigen Blätter mit jederseits 10 bis 15 Nerven sehen. Die Flugfrucht besteht aus dreilappigen Flügeln.

„Bettseicher“
Der Löwenzahn hat etwa 500 verschiedene Namen. Er wirkt appetitsteigernd, stoffwechselanregend, verdauungsfördernd, gallesekretionssteigernd und mild abführend. Er ist auch ein Förderer der Harnausscheidung. Aus diesem Grunde bezeichnet man ihn in Baden „Bettseicher“, Bettschiesser, Saudätsch und in der Schweiz Säustock, Röhrlichrut.

Auf einer Wiese sahen wir Löwenzahn, Hahnenfuss und den Wiesen-Sauerampfer (ein Teilnehmer nannte sie Blacke, das ist ein Schweizer Ausdruck für die Pflanze). Das übermässige und ausschliessliche Vorkommen dieser Pflanzen auf Wiesen ist ein Zeichen der Überdüngung, wie Klaus Böttger erzählte.

 


Schneeweiße Blüten des Bärlauchs
 

Verführerischer Duft nach Knoblauch
Im Laubwald am Dinkelberg-Nordabhang bemerkten die Teilnehmer den verführerisch duftenden Bärlauch. Dort bot sich den Gästen ein schöner Anblick: ein grüner Bärlauchteppich im Buchenwald. An geschützten und sonnenbeschienenen Plätzen zeigten sich schon die schönen, schneeweissen Blüten. Der Bärlauch wuchs dort so üppig, dass man in kurzer Zeit viele Körbe hätten füllen können. Wie Klaus Böttger betonte, sind heute immer mehr Menschen ganz verrückt nach dem gesunden „Wildknoblauch“ oder „Waldknoblauch“, wie der Bärlauch (Allium ursinum) auch genannt wird. Die Liebhaber der nach Knoblauch duftenden Pflanze sammeln die Blätter selbst, zaubern leckere Gerichte, stellen Bärlauch-Pesto her oder lassen sich in Wirtschaften von Bärlauch-Gerichten verwöhnen. Unzählig sind Bärlauchprodukte, wie Bärlauchwurst, Bärlauchkäse, Bärlauchwein oder Bärlauchschnaps.

Eine Teilnehmerin wusste eine Geschichte zu erzählen. Anlässlich des 70. Geburtstages ihrer Mutter sammelte sie einen Strauss Bärlauchblüten. Diese wurden dann der Mutter überreicht und der Strauss kam in eine Vase. Der Knoblauchduft breitete sich im ganzen Wohnzimmer aus, so dass der „Blumenstrauss“ samt Vase ins Freie gestellt werden musste.

Klaus Böttger wies auch auf Verwechslungen hin. Unkundige verwechseln zuweilen die Blätter des Bärlauchs mit den Blättern der hochgiftigen Herbstzeitlose. Die Gefahr besteht deshalb, weil die Blätter der Herbstzeitlose manchmal zusammen mit den Bärlauchblättern im Frühjahr herauswachsen. Verwechslungen kommen auch mit dem giftigen Maiglöckchen vor.

An einer lichten Stelle am Waldrand hatten wir einen schönen Blick auf den Wald oberhalb von Steinen, auf Hägelberg und die umliegenden Schwarzwaldberge. Ein solcher Blick erfreut immer und tut der Seele gut. Oft ist es so, dass viele Wanderer ihr Ziel im Auge haben und wenig auf die Landschaft achten. Dies erzählte ich während der Wanderung. Eine Teilnehmerin hatte hier eine Geschichte parat. Als ihre Tochter von einer Urlaubsreise zurückkehrte und die gewohnte  Umgebung wieder sah, sagte sie: „Wie schön ist doch unsere Landschaft.“

„Hier wächst sogar der Gutedel“, bemerkte ein humorvoller Teilnehmer und deutete nicht auf eine Rebe, sondern auf eine leere Weinflasche, die ein Umweltfrevler weggeworfen hatte.

Zurück ging es auf einem höher gelegenen Weg. An einer Stelle war der Weg durch abgeschlagene Äste und kleinen Bäumchen abgesperrt. Hier waren akrobatische Übungen der Teilnehmer gefragt. Alle meisterten das Hindernis mit Bravour. Der mitgeführte Hund wurde über die Äste getragen. Dann ging es auf einem bequemen Waldweg wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Klaus Böttger betonte noch am Schluss, dass durch solche Veranstaltungen der Blick für die vielseitigen Landschaften und Natur geweckt werden. Die Erhaltung einer Landschaft, der Artenschutz und die Artenvielfalt sind wichtige Themen, die uns alle angehen. Erlebnisprogramme dienen dazu, die Natur vor Ort besser kennenzulernen. Das ist den Initiatoren der Veranstaltung bestens gelungen.


Anhang: Rezepte

Bärlauchpesto
Zutaten: 500 g frischen Bärlauch, 100 g Parmesan, 50‒70 g Pinienkerne, 250 ml Olivenöl extra vergine, Pfeffer und Salz (Meer- oder Kräutersalz).

Zubereitung: Blätter grob schneiden, Parmesan, Pinienkerne (Kerne ohne Fett leicht hellbraun anrösten), Olivenöl und Gewürze hinzufügen, mit dem Mixstab bei niedriger Geschwindigkeit mischen oder durch den Fleischwolf drehen. Mischung in saubere Gläser abfüllen. Wenn das Pesto länger aufbewahrt werden solle, dann ab in den Gefrierschrank. Das Aroma und das Grün bleiben dann lange erhalten.

Rezepte finden Sie in meinem Blog vom 20.03.2008: „Bärlauch frisch vom Wald in die frühlingshafte Haute Cuisine“ und in der Online-Ausgabe der „Badischen Zeitung“ unter der Rubrik „Achtung Pflanze!“ von Frank Hiepe.

Löwenzahn-Rezepte
Die jungen Blätter des Löwenzahns eignen sich als Salat und Gemüse. Die Ansätze zu den Blüten über der Wurzel, inmitten der schützenden Blattrosette sind ebenfalls ein gutes Gemüse, das im Geschmack an Rosenkohl erinnert.
Dr. Ruth Nowack empfahl die jungen noch harten Blütenknospen mit Butter zu dünsten und dann dem Salat zufügen.  Man kann diese Knospen auch in Estragonessig einlegen und wie Kapern verwenden.
Tipp: Wer den aromatisch-bitteren Geschmack nicht so gerne mag, kann den Löwenzahn mit mild schmeckenden Wildgemüsepflanzen mischen, wie z.B. Taubnessel, Melde, Vogelmiere, Bärenklau oder Giersch.

Giersch-Rezepte
Aus den jungen Blättern und Stängeln der noch nicht blühenden Pflanze werden Suppen, Salat und Gemüse zubereitet. Giersch kann auch mit Löwenzahn, Brennnessel, Schafgarbe, Sauerampfer, Wiesenknöterich gemischt werden.
Man kann auch eine Grüne Suppe mit Giersch, Brennnessel, Wegerich, Malve, Lauchhederich und Hopfensprossen zubereiten.

Internet
www.bund.net/hochrhein
www.rv-hochrhein.bund-bawue.de/ueber_uns/org.schopfheim

Literatur
Helm, Eve Marie: „Feld-, Wald- und Wiesenkochbuch“, Heimeran Verlag, München 1978.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
Zizenbacher, Petra, Orina: „Heilpflanzen – Apotheke aus Feld und Flur“,  freya Verlag, Unterweitersdorf (Österreich) 2003.

 


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