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BLOG vom: 10.12.2017

Döner und Wurst: So wirkt der Zusatzstoff Phosphat

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D


Vor über einer Woche wurden die Liebhaber von Döner aufgeschreckt. Warum nur? Der EU-Ausschuss wollte nur eine Gesetzeslücke schliessen. Es kam zu einer heftigen Diskussion über den Lebensmittel-Zusatzstoff Phosphat. Die Verwendung von Phosphaten (Salze des Mineralstoffes Phosphor) in verzehrsfähigen Lebensmitteln ist erlaubt, jedoch nicht als Zusätze in rohen, tiefgefrorenem Fleisch. In fertigen Dönern sind Phosphate erlaubt.
Deshalb der Aufstand, weil rohes Dönerfleisch kein Phosphat enthalten darf. Die Grünen und Sozialdemokraten legten Einspruch ein. Die Entscheidung wurde vertagt. Das Ergebnis wird erst gegen Ende 2018 erwartet. Da wird noch viel Dönerfleisch verkauft werden können. Die EU-Kommission will klären, ob Phosphate eine Gesundheitsgefahr darstellen.
Dönerfleisch braucht Phosphat. Warum? „Ohne Phosphatzusatz würden die Drehspiesse beim Grillen in sich zusammensacken und wären innen noch roh, selbst wenn die Aussenseite schon fast verbrannt ist“, bemerkte die EU-Abgeordnete Renate Sommer.  Es gibt keine Alternative.
Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht in der Aufnahme von 4200 mg Phosphat pro Tag als unbedenklich an.

Auch in der Wurst ist Phosphat drin
Phosphate sind erlaubte Zusatzstoffe bei Schmelzkäse, Schmelzkäsezubereitungen, Käse und anderen Nahrungsmitteln. Sehr beliebt sind bestimmte Phosphate bei den Wurstfabrikanten. Die Phosphate binden nämlich Wasser. Die Wurst schmeckt dann saftiger und ist knackiger. Der Verbraucher weiss jedoch nicht, dass er eine gehörige Portion Wasser mitbezahlt.
Auch in Kondensmilch, Backpulver, Puddingsepien, Cremefüllungen, Suppen, Sossen, Backmischungen, Mayonnaisen, Speiseeis, Kindernährmittel und Tablettenbestandteilen, Spül- und Reinigungsmittel sowie im Kunstdünger sind Phosphate enthalten. Die Zusatzstoffe verbessern u.a. die Backfähigkeit von Mehlen, verhindern als Antioxidantien das Ranzigwerden von Fetten und Ölen, verkürzen die Garzeit von Hülsenfrüchten und erleichtern die Verarbeitung von gekühltem und aufgetautem Fleisch.

Wer keine Zusatzstoffe, gleich welcher Art, in solchen Produkten haben möchte, kann Bio-Produkte kaufen. Nach meiner Ansicht, sind in Fertigprodukten viel zu viele Zusatzstoffe vorhanden.  

Folgende Zusatzstoffe finden in der Lebensmittelindustrie ihre Anwendung.

E338 bis E341 = Orthophosphorsäure und weitere Salze der Phosphorsäure,
E450 bis E452 = verschiedene Di-, Tri- und Polyphosphate.

Bedeutende Ernährungsforscher sind der Ansicht, dass Phosphate als Lebensmittelzusatzstoffe keine giftigen Wirkungen entfalten.

Betrachten wir einmal die Wirkungen von Phosphat im Körper, wieviel wir benötigen, wieviel Phosphate in unseren Lebensmitteln sind, ob ein Zuviel schadet und ob Mangelerscheinungen auftreten.

Phosphor liefert Energie
Der nicht-metallische Mineralstoff Phosphor ist ein wichtiger Baustein für Knochen und Zähne. Zusammen mit Calcium wird es in Form von Hydroxyapatit eingebaut. Er reguliert den Säure-Basen-Haushalt. Organische Phosphorverbindungen sind wichtige Energieüberträger oder als Phospholipide am Aufbau von Zellmembranen beteiligt.

Jeder Erwachsene hat in seinem Körper 600 bis 700 g Phosphor. Mehr als 85 % sind im Skelett, 65 bis 8o g in den übrigen Geweben und nur etwa 2 g im Blut.

Phosphat in Lebensmitteln
Phosphate sind praktisch in allen Lebensmitteln enthalten. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, zu wenig zu bekommen.
Durch falsche Ernährung oder das Trinken grösserer Mengen von Cola-Getränken ist häufig der Grund für eine zu hohe Phosphataufnahme. Besonders fatal ist, wenn diese Fehlernährten zu wenig Calcium konsumieren. Dann zeigen sich Störungen im Calciumstoffwechsel.

Natürliche Phosphate sind besonders in Bierhefe, Weizenkeimen, Kakao, Sesamsamen, Sojabohnen, Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen, Milch und Milchprodukten, Innereien, Fleisch, Fische enthalten.

Wie hoch ist der Bedarf?
Ernährungsgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz geben bei Erwachsenen einen Tagesbedarf von etwa 700 mg Phosphor pro Tag an. Schwangere und Stillende benötigen etwas mehr, nämlich 800 bis 900 mg Phosphor. Jugendliche im Wachstum sollten etwa 1250 mg Phosphor täglich zu sich nehmen. Mittels einer ausgewogenen Ernährung wird der jeweilige Tagesbedarf leicht gedeckt.

Wann entsteht ein Mangel?
In Notzeiten war der Phosphatmangel weit verbreitet. Bei unterernährten Kindern (hier werden noch andere Mineralstoffe und Vitamine zu wenig aufgenommen) sieht man eine Verzögerung des Wachstums, eine schlechte Knochen- und Zahnbildung und eine Rachitis. Dr. Eleonore Blaurock-Busch schrieb in ihrem Mineralstoff-Buch dies: „Ein Mangel an Phosphor kann lange Zeit verborgen bleiben, da Phosphor aus den Knochen mobilisiert, also abgebaut wird. Dies zeigten auch Beobachtungen aus den Kriegs-und Nachkriegsjahren. Nach längerer verminderter Zufuhr von Phosphat trat die sogenannte Hunger-Knochenerweichung auf. Bei Einnahme von zu viel Calcium und zu wenig Phosphor kann es zur Bildung von Nierensteinen kommen.“

Schadet zu viel Phosphat?
Eine übermässig hohe Phosphatzufuhr kann die Aufnahme anderer Mineralstoffe und Spurenelemente stören. Ein Calciummangel kann sich dann ausbilden. Bei Dialysepatienten muss auf das Gleichgewicht der beiden Mineralstoffe Phosphor und Calcium geachtet werden.
Ein erhöhter Phosphatspiegel im Blut tritt auch bei Nierenschwäche oder einer Unterfunktion der Nebenschilddrüse in Erscheinung. Bei diesen Störungen kommt es zu einer unzureichenden Ausscheidung von Phosphat und zu einer hohen Wiederaufnahme von Phosphat in den Nierenkanälchen.
Laut Ernährungs-Gesellschaften sind beim Gesunden keine Phosphorintoxikationen infolge einer überhöhten alimentären Phosphorzufuhr bekannt geworden. „Der obere Grenzwert für physiologische Serum-Phosphatspiegel des Erwachsenen würde bei einer Zufuhr von 3,5 g Phosphor/Tag erreicht. Bei Einnahme von bestimmter Medikamente (z. B. Bisphosphonate) wird dieser nominal obere Grenzwert im Serum überschritten, ohne dass Intoxikationen beschrieben worden sind.“

Phosphat kam vor über 20 Jahren in die Negativschlagzeilen, als die Theorie aufgestellt wurde, es sei für das hyperaktive Syndrom der Kinder verantwortlich. Den „Zappelphilippen“ wurde eine phosphatreduzierte Diät empfohlen. Die Kinder waren nach der Kur zugänglicher, friedlicher, ausgeglichener und entspannter. Es gibt jedoch noch andere Faktoren, die zum „Zappelphilipp-Syndrom“ führen.

Literatur
Blaurock-Busch, Eleonore: „Mineralstoffe und Spurenelemente“, Hersbruck 2010.
Scholz, Heinz: „Mineralstoffe + Spurenelemente“, Trias Verlag, Stuttgart 1996.
Spiegel-Online-Bericht: „Mögliche Gesundheitsgefährdung durch Phospate – Worum es beim Döner-Streit wirklich geht.“ (www.spiegel.de )
Ernährungsgesellschaften A, D, CH: „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“, Umschau/Braus-Verlag, Frankfurt am Main 2000.

 


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