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BLOG vom: 02.02.2018

Weltrekord im Eisenbahnmuseum Mulhouse

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D


Am 18.01.2015 verzichteten wir wegen der schlechten Witterung mit Regen und Windböen auf eine Wanderung. Was tun? Wanderfreund Claus von Wehr schlug vor, doch einmal das Eisenbahnmuseum (Cité du train) in Mühlhausen (Mulhouse) aufzusuchen. Das liessen wir uns nicht zweimal sagen. Wir fuhren zu viert mit dem Pkw nach Mühlhausen (Elsass).
Das Museum befindet sich im Norden von Mühlhausen in der Strasse  Alfred de Glehn. Mittels Navi erreichten wir das Ziel mühelos.
Im Internet konnte ich schon vor der Reise etwas über das Eisenbahnmuseum in Erfahrung bringen. Hier einige Notizen:

1971 wurden die ersten Lokomotiven im alten Lokschuppen im nördlichen Teil des Nordbahnhofs von Mulhouse untergebracht. Ein Neubau auf dem Nachbargrundstück wurde bald darauf realisiert. 1976 wurde das Museum für die Öffentlichkeit eröffnet. 1983 erfolgte eine Erweiterung um 6 Gleise. Mit Hilfe der Stadt Mulhouse wurde das Museum gründlich renoviert und unter einem neuen Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit 2005 wird in einer 6000 Quadratmeter grossen Halle „Das Goldene Zeitalter der Eisenbahn“ mit Ereignissen der Zeit von 1850 bis 1950 präsentiert. Die Zahl der Ausstellungsstücke wurde um 25 auf 103 erhöht. Das Museum beherbergt eine der schönsten Eisenbahnsammlungen der Welt.

Zurück zu unserem Besuch. Nach Lösung der Eintrittskarte in Höhe von 12 Euro erreichten wir nach wenigen Schritten die 1. Halle (A). Diese wird als „Showrundgang“ bezeichnet. Hier konnten wir uns über die Geschichte des Goldenen Jahrhundert der Eisenbahn informieren.
In den weiteren Abteilungen der Halle B sahen wir viele Dampflokomotiven, Elektrotriebwagen, Elektroloks und Doppelstockwagen. Aber der Reihe nach. Ich konzentriere mich nur auf die Höhepunkte und Besonderheiten des Museums.
Gut finde ich die Videovorführungen und Tafeln zur Geschichte des Eisenbahnwesens. Besonders schön und interessant fand ich die alten Loks von 1844 und 1846.

 


111-Buddicom von 1844
 

Älteste Lok von 1844
Die grüne Lok mit schwarzem Kamin von 1844 war die 111-Buddicom Nr.33 „Saint-Pierre“. Sie wog 17 Tonnen und erreichte eine Geschwindigkeit von 60km/h. Die im Original erhaltene Dampflokomotive ist die älteste auf dem Europäischen Kontinent. Sie wurde vom englischen Ingenieur William Buddicom gebaut. Die Lok war noch nicht mit einem Wetterschutz für den Lokführer und Heizer ausgerüstet. Die Lok wurde erst 1968 in den Ateliers de Sotteville-Quatre Mares restauriert.
Die zweite Lok mit schwarzem Kamin war die 111-Stephenson L`Aigle von 1846. Diese war bis 1865 auf der Linie Avignon – Marseille im Einsatz.

 


111-Stephenson von 1846
 

In der Halle B war eine Besonderheit zu sehen, nämlich eine Lok mit einer Schneeschleuder von 1908. Die Schleuder sah aus wie ein Tunnelbohrkopf. Eine solche war auf der Berninabahnstrecke im Einsatz. Die Schleuder hatte einen Durchmesser von 2,5 m und konnte eine 3 m hohe Schneewand wegschleudern.

Weltrekord eines Triebzuges
In einer gesonderten Abteilung befand sich der vordere Teil eines TGV-Triebzuges. Mittels Film konnten wir den Höchstgeschwindigkeitsversuch miterleben. Bei dieser Geschwindigkeit wurde uns schon beim Zusehen schwindlig. Die Landschaft rauschte nur so vorbei. Der Triebzug V150 mit Triebköpfen und zusätzlich verstärktem Antrieb erreichte am 03.04.2007 auf der Neubaustrecke in der Nähe der Ortschaft Passavant-en-Argoune die Höchstgeschwindigkeit von 574,8 km/h. Nach der Rekordfahrt vermutete der Mitbewerber Siemens, der Zug sei nach so einem Test quasi schrottreif.  Er war es jedoch nicht. Der Versuchszug wurde nach Rückbauten weiter im normalen Betrieb eingesetzt.
Rekordfahrten mit der Magnet-Schwebetechnologie (Hovercraft-Technologie) brachten später noch höhere Geschwindigkeiten. Die war möglich, weil zwischen Fahrweg und Fahrzeug eine geringere Reibung vorhanden ist. Die Höchstgeschwindigkeit mit der Magnetschwebebahn wurde mit 603 km/h am 21.04.2015 in Japan erreicht.

Im Museum sahen wir auch die französische Lok BB9004. Mit dieser Lok erreichte man am 29.03.1955 die sensationelle Geschwindigkeit von 330,8 km/h. Der Weltrekord hielt 26 Jahre!

 


A1 mit blau angestrahltem Fahrwerk
 

Weitere Höhepunkte
Wir sahen einen Salonwagen für den Präsidenten Charles de Gaulle (Salon Presidentiel PR2 von 1954). Durch die Fenster sahen wir den Salon mit Polstersesseln, daneben ein Abteil mit Schreibtisch. Vor dem Präsidentenwagen befand sich ein alter Citroen, daneben eine grosse Abbildung des Präsidenten auf Pappe. Wir konnten unsere Blicke von weiteren Besonderheiten kaum losreissen. Wir sahen Restaurantwagen, Wagen mit Oberdeck, Pullmanwagen von 1926, Schlafwagen Lux von 1929, Wagen der 3. Klasse („Holzklasse“), Militärloks, ein blau beleuchtetes Fahrwerk der Lok A1. In der Modellhalle war eine grosse Modellanlage. Für 50 Cent konnte man alles in Gang setzten. Sogar die kleinsten Gegenstände wurden bewegt. Ein eindrucksvoller Anblick.
In vielen Wagen stellten Puppen Szenen nach. Durch Rampen war es möglich, auch in das Innere der Wagen zu sehen.

Wegen eines kräftigen Sturms verzichteten wir anschliessend auf die Besichtigung des Aussenbereichs.

Für alle war der Besuch des Eisenbahnmuseums ein besonderes Erlebnis.
Schade, dass nicht alle Wanderfreunde dabei sein konnten. Aber wir werden wiederkommen.

Internet
www.bahnbilder.de
www.citedutrain.com
www.tourisme-alsace.com

 


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