Schmackhaftes Wildgemüse im Frühjahr
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim
„Geschmack, Geruch und Beschaffenheit der Wildpflanzen sind so facettenreich, dass sich unseren Sinnen ein wahres Feuerwerk an den verschiedenen Genüssen bietet“, schreibt euphorisch der Ethnobotaniker François Couplan in seinem Wildkräuterbuch. Er hat recht, denn wer diese Pflanzen einmal auf seinen Speisezettel gebracht hat, kann nicht mehr von ihnen lassen. Wildgemüse bringt nicht nur die höchsten Genüsse, sondern im Gegensatz zu Kulturgemüse ein Mehr an Vitaminen und Mineralstoffen. Gemüse aus der freien Natur sind mit weniger Wasser behaftet, enthalten die 2- bis 4fache Menge an Kalium, Magnesium, Kalzium und Eisen. Vitamin C ist in den „Wilden“ 3- bis 5mal reicher vorhanden als im Kulturgemüse. Darüber hinaus sind einige Wildgemüsearten gleichzeitig Heilpflanzen.
Einige Pflanzen, die jetzt im Frühjahr heranwachsen, werden in diesem Blog beschrieben.
Sammeln will gelernt sein
- Einwandfreies Erkennen der Pflanze. Es besteht immer die Gefahr einer Verwechslung mit ungeniessbaren, giftigen Pflanzen.
- Sammelzeit beachten. Blätter, Triebe, Blüten in den Vormittagsstunden sammeln.
- Sammelstandtort sollte einwandfrei sein (kein Hundespazierweg, frei von Spritzungen und Gülle, nicht an stark befahrenen Strassen sammlen).
- Sammelgut locker in die Körbe einlegen.
- Nicht an einem Standort alles abreissen, immer genügend Pflanzen stehen lassen. Nur soviel sammeln, wie benötigt wird.
- Keine Pflanzen sammeln, die vom Aussterben bedroht sind.
- Möglichst junge Pflanzen aussuchen (ältere schmecken oft bitter).
- Gesunde Pflanzen ernten (Blätter mit Pilzbefall und solche mit Flecken nicht sammeln).
- Pflanzen zu Hause gründlich waschen (Fuchsbandwurm lässt grüssen!)
Bärlauch
Inhaltsstoffe: ätherisches Öl, Allicin, Vitamin C, Fructosane, Mineralstoffe.
Sammelgut/Sammelhinweise: Kraut, Zwiebel: Blätter vor der Blüte und die Zwiebel nach dem Verwelken der Blätter sammeln.
Innerliche Anwendung: Magen- und Darmstörungen, Appetitlosigkeit, eignet sich hervorragend zur Frühlingskur.
Verwechslungsgefahr: Unkundige verwechseln zuweilen die eiförmigen, lanzettlichen Blätter mit den giftigen Blättern des Maiglöckchens oder den Blättern der Herbstzeitlose (Blätter erschienen bereits im Frühjahr). Bärlauchblätter kann man von den genannten giftigen Pflanzen leicht unterscheiden: Sie riechen und schmecken nach Knoblauch. Außerdem sind die Blätter des Bärlauchs an der Unterseite matt und wachsen einzeln aus dem Boden.
Verwendung in der Küche: Bärlauch schmeckt wunderbar als Pesto und zu anderen Gerichten (s. Blog vom 18.04.2020 von Carine Buhmann „Naturküche: Schmackhafte Rezepte mit Bärlauch).
Brennnessel
Die zu den Gespinstpflanzen zählende Brennnessel ist eine wichtige Heilpflanze. Nahezu alle Teile der Pflanze liefern Hausmittel und Medikamente.
Inhaltsstoffe: In den Blättern finden wir Gerbstoffe, Carotinoide, viel Vitamin C (330 mg/100 g), Triterpene, Sterole, Kieselsäure, organische Säuren, Glukokinine, Flavonoide, Eisen und Kalium.
Sammelgut/Sammelhinweise: Kraut und Samen. Nur junge Blätter!
Anwendung: Brennnesselblätter-Tee, Brennnesselwurzel-Tee bei Kopfschuppen, fettem Haar. Der Extrakt der Wurzel ist hilfreich bei Prostatabeschwerden. Samen: bei Müdigkeit, Leistungsschwäche, Erschöpfung.
Verwendung in der Küche: Möglichst roh als Salat (ohne dicke Stiele), gehackt unter Frischkäse als Dip oder als Brotaufstrich, püriert als Sauce oder Suppe, als Beilag zu Kartoffeln.
Giersch (Geissfuss)
Der Giersch hat eine große Wuchskraft. Er breitet sich im Garten schnell aus. Dies kommt daher, weil er unterirdische Ausläufer besitzt. Der Giersch wächst auch in Wäldern, an Hecken, Zäunen, an Waldrändern, an Bach- und Flussufern und Parks. Der Name Geissfuss bezieht sich auf die 3-zähligen, eiförmig gezähnten Blätter. Diese erinnern mit viel Phantasie an Ziegenfüsse.
Inhaltsstoffe: Flavone, ätherische Öle, Mineralstoffe, Spurenelemente, Provitamin A (Carotin), Vitamin C (201 mg/100 g). Der Giersch ist auf Grund des Gehalts an diesen Stoffen dem Grünkohl überlegen. Der Gehalt an Vitamin C ist höher als in Zitronen oder Orangen.
Sammelgut/Sammelzeit: Junge Blätter im Frühjahr vor der Blüte., die Blätter sind auch später noch gut verwendbar.
Anwendung: Kräuterpfarrer Johannes Künzle nennt den Giersch als eine „herrliche Medizin“. Er empfahl ihn bei Rheuma, Gicht, Krampfadern. Eine Auflage von frisch zerriebenen Blättern (sie erinnern an den Geruch von Möhren und Petersilie) bringen Linderung bei Sonnenbrand, Insektenstichen, leichten Verbrennungen und als Umschlag auf schmerzende Gelenke.
Verwendung in der Küche: Salat, in Suppen, als Spinat-Ersatz, eignet sich auch für Wildkräuteraufstrich, Pestos, Füllungen oder auf Pizza und im Smoothie. Von den dreikantigen Stängeln kann man auch Stielmus kochen.
Löwenzahn
Inhaltsstoffe (Kraut und Wurzel): Bitterstoffe, Sitosterol, Stigmasterin, Carotinoide, Flavonoide, Kaffeesäure und besonders in der Wurzel Schleimstoffe, Fruchtzucker und Inulin. Frische Blätter zeichnen sich durch einen beachtlichen Gehalt von Kalium (590 mg/100 g) und Vitamin C (115 mg/100 g) aus Löwenzahn wirkt appetitsteigernd, stoffwechselanregend, verdauungsfördernd, gallesekretionssteigernd. Er ist auch ein Förderer der Harnausscheidung. Aus diesem Grunde wird er vielerorts „Bettseicher“ und in Frankreich „pissenlit“ genannt.
Sammelgut/Sammelhinweise: Blätter Wurzel, Knospen, Blüten. Im Frühjahr sind die jungen Blätter am zartesten und weniger bitter.
Anwendung: Innerlich (Tee, Tinktur, Pflanzensaft) bei Appetitmangel, Störungen im Bereich des Galleabflusses, Völlegefühl, Blähungen, zur Anregung der Harnausscheidung. Löwenzahn ist Bestandteil von „Frühjahrskuren“. Die 4 bis 6 Wochen dauernden Kuren sind besonders angezeigt bei Gicht, Hautleiden und rheumatischen Erkrankungen.
Verwendung in der Küche: Möglichst roh als Salat zu Nussölen, Olivenöl, aromatische Kräuter- und Himbeeressige; fein gehackt unter Frischkäse, gedämpft als Gemüse (wie Spinat), püriert als Suppe, klein geschnitten unter Risotto.
Brunnenkresse
Inhaltsstoffe: Senfölglykoside, ätherisches Öl, Thiocyanate, Gerbstoff, Bitterstoff, Mineralstoffe, Carotin, Vitamin C.
Sammelgut/Sammelhinweise: Junge Blätter. Die Blätter am besten vor der Blüte sammeln (auch während der Blüte, oder wenn sich Früchte ausbilden, kann gesammelt werden). Blätter kurz oberhalb der Wasserfläche abschneiden. Stängel nicht ausreissen!
Anwendung: Appetitmangel, Bestandteil von „Frühjahrskuren“.
Achtung! Grössere Mengen Kresse können eine Reizung der Magen- und Darmschleimhaut und der Nieren verursachen. Der normale Gebrauch von Kresse ist jedoch nebenwirkungsfrei. Während der Schwangerschaft Kresse nur als Gewürz verwenden!
Verwendung in der Küche: Möglichst roh als Salat, passt zu Nussölen, Apfel- oder Kräuteressig; gehackt unter Frischkäse als Dip oder als Brotaufstrich; püriert als Sauce oder Suppe, als Beilage zu Kartoffeln, Kartoffelsalat.
Sauerampfer
Der säuerliche Geschmack des Sauerampfers faszinierte schon in der Kindheit. Bei grosser Hitze pflücken wir immer wieder die Blätter und kauten diese. Die kühlende, erfrischende Säure stillte unseren Durst. Die Franzosen sind ganz verrückt nach ihrem Lieblingssüppchen und Edel-Gemüse. Sauerampfer wird dort in Kulturen gezogen und auf Märkten feilgeboten.
Inhaltsstoffe: Oxalsäure, weitere organische Säuren, Carotine, Vitamin C (117 mg/100 g).
Sammelgut/Sammelhinweise: Blätter (können das ganze Jahr gesammelt werden).
Anwendung: Die Blätter dienen als „Blutreinigungskuren“. Sie sind ein harntreibendes Mittel. Sebastian Kneipp empfahl eine Sauerampfer-Wein-Abkochung bei Unterleibsschmerzen. Der Tee dient in der Volksmedizin als ein Mittel bei Hautkrankheiten und Verdauungsproblemen. Indianer heilten Verletzungen mit zerriebenen und aufgelegten Blättern.
Achtung! Blätter nur massvoll geniessen. Bei Nieren- und Lebererkrankungen, Arthritis, Nieren-, Gallen- und Blasensteinen keinen Sauerampfer verzehren (Grund: Oxalsäure).
Verwendung in der Küche: Püriert als Suppe oder Sauce, gedämpft als Gemüse oder Pfannkuchenfüllung, fein gehackt unter Quark- oder Butteraufstrich, zusammen mit Spinat als Wähe/Quiche.
Wiesenschaumkraut
In Zeiten der Corona-Krise konnte ich in Ruhe kleine Touren in der freien Natur unternehmen. Da wir zur Zeit nicht in der Gruppe wandern dürfen, nutze ich die Gelegenheit allein die Schönheiten der Natur intensiv zu betrachten. Zum Beispiel sah ich mir die Blüte des Wiesenschaumkrauts näher an. Es ist in der Tat eine anmutig zartrosa blühende Pflanze. Die Pflanze wurde 2006 zur Blume des Jahres gewählt.
Die Blätter der Wiesenschaumkräuter (in der Schweiz gibt es 20 Arten) schmecken ähnlich wie die verwandte Brunnenkresse. Sie können auch ähnlich in der Küche verwendet werden.
Inhaltsstoffe: Senfölglykoside, Bitterstoff, Vitamin C
Sammelgut: Blätter, Stängelspitzen, Knospen.
Anwendung: Hausmittel in Form eines Tees bei Rheuma und Schmerzen. Die Pflanze regt auch Niere und Leber an.
Verwendung in der Küche: Salat (auch in Kombination mit Bärlauch, Vogelmiere), Mousse, Suppe; Frischkäse und Quark mit Blättern des Wiesenschaumkrauts.
Internet
www.outdoor-apotheke.ch
www.kostbarenatur.net
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