Herbstliche Frühlingsgefühle eines Apfelbaums
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim
Marie Therese Berger berichtete mir vor einigen Tagen, dass auf dem Grundstück von Rolf Tirold in Schopfheim-Fahrnau ein blühender Apfelbaum im Herbst zu sehen ist. Das nicht alltägliche Blütenflor an einem Baum in dieser Jahreszeit wurde von mir in Augenschein genommen.
Spielte hier die Natur verrückt?
Bei so einer Meldung kam der Gedanke auf, ob hier die Natur verrückt spielt, wenn sich im Herbst Frühlingsgefühle am Baum regen. Rolf Tirold schätzt das Alter des Apfelbaumes zwischen 60 und 70 Jahre. Leider wurde der Baum durch einen abgebrochenen dicken Ast etwas ramponiert. Aber er trägt weiterhin Äpfel. Für ihn ist es das erste Mal, dass er einen blühenden Apfelbaum im Herbst erblickt hat. Der Baum liefert jedes Jahr Gravensteiner Äpfel. Der süß-fruchtig schmeckende Gravensteiner ist eine alte Kultursorte. Sie ist seit 1669 in Dänemark und Norddeutschland bekannt.
1961 sah ich schon einmal einen blühenden jungen Apfelbaum im Garten meiner Eltern in Bayern. Just zu dieser Zeit wurde ein weiterer herbstlich blühender Apfelbaum an einem anderen Ort entdeckt. Über dieses Phänomen wurde damals in der „Donauwörther Zeitung“ berichtet.
Warum blüht ein Apfelbaum im Herbst?
Normalerweise befinden sich Apfelbäume oder andere Obstgehölze Anfang September im Herbstmodus. Es kann aber anders kommen. Es gibt mehrere Ursachen für das Erblühen im Herbst. Das Wetter, regionale Besonderheiten, starker Rückschnitt im Sommer, Stress der Bäume spielen hier eine Rolle. Der Stress kann verschiedene Ursachen haben, wie starker Frost in der ersten Blütezeit, Hagelschäden in der Wachstumszeit und starke Trockenheit im Sommer. Wenn dann noch feuchtwarme Spätsommertage dazukommen, wird dem Baum ein zweiter Frühling vorgespielt und er erblüht.
Klaus Böttger, Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Schopfheim sieht das genauso. Hauptgründe sind nach seiner Ansicht eine lange Trockenzeit mit höheren Temperaturen und Niederschläge im Herbst. Er selbst hat noch nie ein solches Phänomen gesehen.
Dr. Michael Neumüller vom Bayerischen Obstzentrum in Hellbergmoos erklärte, warum das 2. Erblühen eintritt. „Wenn die Vegetationsperiode endet, sorgen bestimmte Hemmstoffe in den Knospen für keinen Austrieb. Die natürliche Austriebshemmung im Spätsommer/Herbst wird jedoch aufgehoben, wenn die erwähnten Ursachen auf den Baum einwirken.“
Janice Pohl, Referentin vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), erwähnt in einem Kommentar, dass das Erblühen im Herbst recht ungewöhnlich, aber nicht unbekannt ist. „Wir hatten einen sehr trockenen Sommer. Solche Stressreaktionen können dazu führen, dass der Rhythmus von Apfelbaum und Co. etwas durcheinander gerät und im Herbst Blüten zu sehen sind“, so Janice Pohl.
Nach Angabe der Kunsthistorikerin Dr. Jutta Failing wurde auf dem Land durch das späte Blühen ein Omen gesehen. Blühende Obstbäume wurden mit einem heraufziehenden Krieg, schlechtem Wetter oder einem harten Winter in Verbindung gebracht.
Zum Schluss noch eine positive Nachricht für den Besitzer des Baumes. Laut Julius Honke vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin, hat die jetzige Blüte keinen Einfluss auf den Ertrag im kommenden Jahr. „Es öffnen sich im Spätsommer immer nur ganz wenige Blüten, es bleiben ausreichend viele für das kommende Frühjahr übrig.“
Internet
www.nabu-wissen.de
www.bund.net/newsletter
https://erutario.de
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