Textatelier
BLOG vom: 25.06.2005

Die Amerikaner waren da. Es war eine nette Begegnung

Autor: Walter Hess

Sie wohnen in Portsmouth, New Hampshire, sind dort geboren und haben viele Verwandte in der Schweiz. Die Rede ist von Frank und seiner Familie. Früher war er Kapitän auf dem eigenen Touristik-Segelschiff, studierte dann Physik und ist heute als R&D Engineer in der Computerchip-Branche tätig, bei Synopsys in Marlboro MA 01752. Er überprüft Chips auf Veränderungen und ergründet die Ursachen der Veränderungen, wenn solche festgestellt sind. Er kann alles. Die kräftige Statur will gar nicht so recht zu den Chips-Analysen passen.

Der Vater von Frank war ein Auswanderer aus dem Bündnerland (Paul Pfosi, ein Bruder meiner Frau). Er lockerte die einförmigen Wälder im Nordosten des Landes mit Skipisten auf und kam bei einem Flugzeugzusammenstoss ums Leben, die Mutter, Lucy, wenige Jahre später bei einem Strassenverkehrsunfall. Frank hat eine liebenswerte, hübsche Frau, Lee, die viel Ruhe ausstrahlt und vor 11 Jahren Zwillinge mit einigen Monaten Vorsprung auf die Zeittabelle zur Welt brachte – sie entwickelten sich ausgezeichnet. Ist Lee eine typische Amerikanerin? Sie kocht noch selber und kocht gern.

Frank kann ein bisschen Deutsch („es bitzeli“, wie er selber sagte). Und noch nie ist es mir beim Umgang mit einem Amerikaner passiert, dass er sich bemühte, in unserer Sprache zu sprechen. Frank versuchte es, so schwer es ihm auch fiel. Er hatte einen Dictionary bei sich, auf dem „German“ stand, und er benützte ihn fleissig. Als Lee beim Risottoessen kräftig niesen musste und „Sorry!“ (phonetisch: sari) sagte, schaute Frank sogleich nach, wie man das Sorry auf Deutsch und deutlich sagen könnte, wenn man schon in der Schweiz war. Er stiess auf die attributiv gebrauchte Form von sorry: traurig. Wir fanden dann aus dem Stegreif heraus, dass „Entschuldigung!“ für diesen Fall eigentlich passender wäre. Das Beispiel zeigte, wie verhängnisvoll das Überwinden von Sprachgrenzen oft sein kann. Es ergeben sich Missverständnisse, die oft tatsächlich traurig stimmen. Firmen, die ausserhalb der angelsächsischen Welt das Englisch sozusagen zur Nationalsprache erhoben haben, erleiden Millionenverluste, je nach Grösse und Dimension der Missverständnisse und der damit verbundenen Konsequenzen.

Frank blieb der Naturbursche, der er schon immer gewesen ist, unkompliziert, hilfsbereit, einsatzbereit. Das Heuen im Bündnerland hat er als ausserordentlich interessant und lehrreich taxiert. Vor 17 Jahren half er mir in Biberstein bei Aushubarbeiten, schwitzend, murksend. Er wollte nicht einfach herumhängen.

Die beiden Söhne sind unzertrennlich, trennen sich aber gern von der Erwachsenengesellschaft ab, um ungestört ihre eigenen Entdeckungen zu machen. Sie untersuchten unser Haus vom kühlen Weinkeller, dessen Bedeutung sie sich nicht recht erklären konnten, über die Werkstatt bis hin zu den alten Türschlössern und zum Inhalt von Kästen und ohne einen Blick ins Schlafzimmer zu unterlassen, das ihnen sehr geräumig zu sein schien. Einer der Söhne – war es Nick? ... sie sehen einander sehr ähnlich – fand unseren Lebensstil sophisticated (kultiviert). Ich bedankte mich fürs Kompliment.

Wir machten einen Spaziergang um den Aarestausee westlich (oberhalb) des Kraftwerks Rupperswil−Auenstein und besuchten den neuen Aarschächlisee (entstanden im Rahmen der Auenrenaturierung in der Gemeinde Rohr AG), wo eine Schwanfamilie (mit 4 Jungen) zu uns herangeschwommen kam. Wir standen auf dem kleinen, öffentlich zugänglichen Aussichtshügel. Der Schwanenvater fauchte, wohl um zu zeigen, dass er zur Verteidigung seines Nachwuchses bereit sei, was immer auch passieren möge. So sind wir Väter eben. Aber es passierte nichts. Wir waren froh, bald wieder in den kühlen Wald zu kommen; die Nähe von Wasser und die Bäume machten die Tropenhitze mit der Überlast an Ozon erträglich. In den USA sei das Benzin immer noch sehr billig; Bush sorge schon dafür, stellte Frank fest. Einer der Knaben setzte seine Spielkonsole in Betrieb; doch der Vater sagte zu ihm, auf der Weiterfahrt im Zug Richtung Spiez sei es dann noch früh genug dafür. Er klappte das Etui zu.

Daheim servierte Eva noch eine hausgemachte Aprikosenwähe, die als eher exotisches Produkt taxiert wurde. Das Essen schien überhaupt keine fundamentale Bedeutung zu haben. Der eine Knabe wollte einfach Wasser, der andere Milch. Der Salat wurde genossen, und Carrots (Rüebli, Karotten) wurden nachbestellt. Und sonst verpflegte sich die Jungmannschaft auf ihrer Entdeckungsreise in unserem Labyrinth im Vorbeigehen mit Dingen, die irgendwo herumstanden oder vom ebenfalls inspizierten Garten angeboten wurden – wie Walderdbeeren. Tischtücher und diverse Bestecksortimente erschweren das Leben nur. Wir haben Frank und Lee vor Jahren einmal in ihrer Heimat besucht und erhielten delikate Lobsters (Hummer) aufgetischt, alles ganz unkompliziert.

Die Tischtücher sind gewaschen. Das Besteck und das Geschirr abgewaschen und versorgt. Die Amerikaner verschwanden wie sie gekommen waren. Bye-Bye. Es war ein wirklich netter Besuch.

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