Textatelier
BLOG vom: 07.10.2015

Bahn und Fernbus-Erfahrungen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

 

Am Morgen des 04. Oktober bei den Festlichkeiten zum 25. Jubiläum der Wiedervereinigung in Frankfurt am Main kam ich vor dem Musikzelt des Hessischen Rundfunks mit einem Mann ins Gespräch. Nach ein paar Kommentaren zur Musikaufführung sprachen wir über dies und das. Der Mann lebe, erläuterte er, zeitweise in Heidelberg und in seinem Heimatdorf in Rheinland-Pfalz, und das habe berufliche Gründe. Er arbeite in einem Betrieb, der sich auf den Bereich „Logistik“ spezialisiert habe, als Informatiker. Allerdings sei es nicht einfach, grössere Betriebe, wie zum Beispiel die Bundesbahn, von der Dienstleistung und der Software zu überzeugen.

Ich fragte mich, ob die Deutsche Bahn so eine Software benötige, war ich doch am Tag zuvor mit dem Zug sehr rasch und pünktlich von meinem Heimatort nach Frankfurt an den Main gelangt. Und das, obwohl es nicht einfach ist, aus Gegenden, die etwas abseits der grossen Verkehrsadern liegen, die schnellen Verbindungen zu erreichen. Ich muss in der Regel, will ich nur einmal umsteigen, zuerst einmal 40 km in nord-östliche Richtung fahren, um einen Ort zu erreichen, von dem aus ich dann wieder nach Süden reise.

Im Regionalexpress war an diesem Tag die elektronische Anzeige und Ansage „verwirrt“, denn kaum waren wir in Viersen abgefahren, wurde uns mitgeteilt, der „nächste Halt“ sei Viersen. „Wir fahren im Kreis!“ sagte ich zu meinem Sitznachbarn und musste grinsen, er fasste sich nur an den Kopf. Wenige Minuten später korrigierte sich die Anzeige und Ansage.

Duisburg, mein Umsteigebahnhof, ist ein „ICE-Haltebahnhof“, man kann also einen „Intercity-Express“ erreichen. Alles lief ohne längere Wartezeiten ab. Der ICE hält von Duisburg bis Frankfurt/Hauptbahnhof nur dreimal und erreicht zwischen Köln-Deutz und dem Frankfurter Flughafen auf der freien Strecke Höchstgeschwindigkeiten minutenweise bis knapp über 300 km/h. Ich benötigte also für die Gesamtstrecke von ca. 250 km einschliesslich der Wartezeit beim Umsteigen nur 2 Stunden und 18 Minuten.

Da könne man nicht meckern, sagte ich meinem Gesprächspartner. Der hielt kurz inne und verwies dann auf die vielen Verspätungen, die der Deutschen Bahn angelastet würden. Ich zog meine Schultern nach oben und fragte mich, ob das nicht ein Vorurteil sei.

Eine Bekannte, mit der ich in Frankfurt verabredet war, berichtete mir, sie sei preiswert mit einem Fernbus aus München angereist. Das wäre problemlos gewesen, nur Geduld müsse man mitbringen, da er noch in Stuttgart einen Zwischenaufenthalt gemacht hätte. Direkt wären es nur wenig mehr als 300 km gewesen, über Stuttgart aber etwa 120 km länger, was eine Fahrzeit von 6 Stunden ergab. Die Rückfahrt hatte sie wieder mit einem Fernbus, aber diesmal mit einem gelben Bus der Post, gebucht. Dann erhielt sie per SMS die Mitteilung, dieser Bus würde 45 Minuten später ankommen. So konnten wir noch gemütlich in ein Restaurant einkehren. Ich brachte sie zur hinter dem Hauptbahnhof von Frankfurt gelegenen Haltestelle. Wenige Minuten nach der angekündigten verspäteten Zeit kam der Bus.

Warum sollte es mir besser ergehen? Und so kam es auch!

Um 17 Uhr sollte der Zug zurück Richtung Heimat abfahren, wieder auf derselben Strecke in der gleichen Zeit. Da der Zug, der 15 Minuten vorher auf diesem Gleis ankommen sollte, Verspätung hatte, wurden wir über eine kaum verständliche Lautsprecheransage darüber informiert, dass unser Zug auf einem anderen Gleis einfahren würde. Der Frankfurter Bahnhof ist ein sogenannter Sackbahnhof, also die Züge fahren bis in das Bahnhofsgebäude hinein, dort enden die Gleise. Der Zugführer wechselt also die Fahrtrichtung und muss sich ans andere Ende des Zuges begeben.

An und für sich ist das nicht problematisch, der ICE, und wahrscheinlich viele andere Züge auch, können von beiden Enden aus gesteuert werden. Aber: wo ist der Anfang, wo das Ende des Zuges, wenn er in einem Sackbahnhof steht? Denn per Ansage wurde bekannt gegeben, dass das hintere Ende des Zuges in Essen abgekoppelt werden würde, Reisende, die weiter fahren wollen, sollten sich also in die vorderen Abteile begeben. Es wurde zwar auch angesagt, welche Nummern diese abzukoppelnden Zugteile haben, aber diese waren in der Lautsprecheranlage kaum verständlich.

Mich ging das nichts an, ich wollte im Bahnhof vor der Stadt Essen aussteigen.

Andere Reisende wurden allerdings verunsichert. Ein älteres Ehepaar mit viel Gepäck unterhielt sich darüber. Eigentlich hätten sie einen anderen Zug nehmen sollen, aber der Zug, mit dem sie Frankfurt erreichten, hätte Verspätung gehabt und der Anschlusszug wäre bereits abgefahren. Ich fragte die Dame, die hinter ihrem Mann her hechelte, wohin sie denn fahren wolle. Sie sagte, zuerst einmal nach Köln und dann am nächsten Tag von Dover aus auf eine Kreuzfahrt. Ich sagte, Essen käme erst weit hinter Köln, über die Zugabteile bräuchte sie sich keine Gedanken zu machen. Aber dieser Zug halte nicht am Hauptbahnhof in Köln, zweifelte die Dame, und da müssten sie hin.

Sie hatte nicht Unrecht, der Streckenverlauf, der diese Geschwindigkeit erlaubt, verläuft rechtsrheinisch und der Hauptbahnhof in Köln ist auf der anderen Rheinseite. Die Entfernung vom Stadtteilbahnhof Deutz zum Hauptbahnhof ist allerdings nur sehr kurz, Anschlusszüge gibt es in grosser Zahl und es dauert nur ein paar Minuten, um über den Rhein zu gelangen. So konnte ich sie beruhigen und verlor sie dann aus den Augen. Allerdings bei der Frage nach dem Anfang und dem Ende des Zuges hatte ich mich geirrt. Mit dem Anfang war der Teil gemeint, der zuerst in den Bahnhof Frankfurt eingefahren war, also eigentlich jetzt das Ende!

Als der Zug endlich abfuhr, hatte er 15 Minuten Verspätung. Da mein Anschlusszug in Duisburg 12 Minuten nach der regulären Ankunft des ICE abfahren würde, fürchtete ich, ihn nicht mehr zu erreichen. Die anderen Reisenden in meinem Abteil hatten ähnliche Sorgen. Der Schaffner, der die Fahrkarten zu kontrollieren hatte, bestätigte meine Sorge und die der Mitreisenden mit dem Hinweis: „Regionalzüge warten nicht bei Verspätungen“ und versprach, geeignete Anschlusszüge für uns ermitteln zu wollen, er käme später wieder vorbei.

Mein Smartphone zeigte eine E-Mail an, in der mir ein „Verspätungsalarm“ von 15 Minuten angezeigt wurde, mit dem Hinweis, dass ich meinen Anschlusszug nicht erreichen würde. Das war ein Service der Deutschen Bahn, allerdings ist der Nutzen solcher Botschaften beschränkt, da auf der Strecke kein Empfang möglich ist. Ich erhielt später beim Aufenthalt in Köln-Deutz eine weitere Warnung, allerdings mit gleichem Inhalt. Der Schaffner kam zurück und hatte für eine Mitreisende und für mich eine kurze Notiz mit dem Anschlusszug dabei.

Die Dame maulte, sie würde dann ihren fest eingeplanten Termin verpassen. Ich würde 25 Minuten später als vorgesehen zu Hause sein. Mir würde das nicht viel ausmachen.

Der Zug fuhr Höchstgeschwindigkeit, sie wurde auf einem kleinen Monitor in der Nähe des Ausgangs angezeigt, 270, 280, 300, 311 km/h und dann wieder weniger schnell: 263, 258 und so weiter. Er holt die Verspätung wieder ein, dachte ich mir.

Dann erfolgten in Abständen von wenigen Minuten Lautsprecheransagen, die teilweise im Fahrlärm untergingen. Aufgrund einer Stellwerkstörung halte der Zug nicht in Dortmund, Reisende mit diesem Ziel müssten in Bochum aussteigen, Anschlusszüge seien auf dem Bahnhof zu erfahren. Dann hiess es, wegen eines „Unfalls mit Personenschaden“ (so wird in der Regel ein „Schienensuizid“ bezeichnet) auf der Fahrstrecke halte der Zug nicht in Essen.

Wir erreichten Köln-Deutz. Dort musste der ICE allerdings auf einen anderen ICE warten, der 10 Minuten Verspätung hatte, die mit der hohen Geschwindigkeit eingeholte Zeit war also vergeblich gewesen. Auf dem Abschnitt von Köln-Deutz nach Düsseldorf überschlugen sich die Ansagen. Zuerst wurde wiederholt erläutert, dass der Zug wegen dieses Stellwerkschadens nicht in Dortmund halte. Wenige Minuten danach wurde erklärt, dass er nur noch in Bochum und auch nicht in Essen halte. Es dauerte nicht lange, dann sagte die weibliche Stimme, der Zug fahre von Düsseldorf aus direkt nach Bochum, halte auch nicht in Duisburg. Wenige Minuten vor Düsseldorf wurde die letzte Ansage widerrufen, er halte jetzt doch in Duisburg.

Ich überlegte. Und wenn der Zug jetzt doch nicht in Duisburg hielte, käme ich wahrscheinlich erst 2 Stunden später als erwartet nach Hause. Ich entschied mich, in Düsseldorf auszusteigen. Von dort aus gibt es auch Verbindungen in meinen Heimatort, allerdings müsste ich noch ein weiteres Mal umsteigen, es sei denn, ich würde nach Erreichen des Umsteigebahnhofs abgeholt.

Der Anschlusszug in die richtige Richtung fuhr nach 30 Minuten ab. Der übernächste Haltepunkt war Mönchengladbach. Ein kurzes Telefongespräch und meine Frau wartete schon auf mich. Alles in allem blieb die Fahrtzeit doch noch im Rahmen. Mit einer Verspätung von nur 20 Minuten erreichte ich meine Wohnung. Ohne meine Frau wäre es erheblich mehr gewesen.

Im Nachhinein musste ich meinem Gesprächspartner in Frankfurt zustimmen, vielleicht hätte eine bessere Software alles weniger verwirrend gestaltet, vielleicht aber auch nicht!

 


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