Textatelier
BLOG vom: 08.01.2016

Die Böttcherstrasse in Bremen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

 

Es gibt sehenswerte Städte in Deutschland, deren Besuch viele neue Eindrücke vermitteln können. Eins dieser Orte ist die Hansestadt Bremen. Bremen gehört zu einer der 9 Städte, die von ehemals über 200 dieses losen mittelalterlichen Handels- und Städtebundes 1669 noch übrig geblieben sind, und die seit dieser Zeit den Begriff Hanse fest zu ihrem Namen tragen, wie etwa die Städte Lübeck, Hamburg und Rostock. Diese Bezeichnung deutet schon von vornherein darauf hin, dass es historisch gesehen interessante Städte sind, deren Kaufleute und Bewohner einen gewissen Reichtum erlangten. Dieser Reichtum ist teilweise noch heute im Städtebau, bei Gebäuden, Museen, Kirchen, usw. erkennbar.

Wenn das Einkommen es zulässt, wird Geld auch in Kunst investiert. Kunst überdauert Jahrhunderte, trotz zerstörerischer Kriege bleiben immer noch viele Gegenstände übrig und in Mitleidenschaft gezogene Gebäude wurden oftmals mehr oder weniger originalgetreu wieder aufgebaut. Bei nichtsakralen Bauwerken war es oft eine Kaufmannsfamilie, die Kunst finanzierte.

So war es auch mit der Böttcherstrasse in Bremen. Historisch gesehen sind die Gebäude nicht alt, sie entstanden im Stil des Backsteinexpressionismus in der Zeit der Weimarer Republik 1922-1931. Die Geschichte der Strasse selbst reicht allerdings bis ins Mittelalter zurück und beherbergte Handwerker aller Art, unter anderen auch Böttcher, also Fassmacher. Damals war sie noch eine wichtige Verbindung zwischen dem Marktplatz und dem Weserhafen, verlor aber an Bedeutung, als der Hafen verlegt wurde.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlegte der Kaffeekaufmann Ludwig Roselius seinen Verwaltungssitz in diese Strasse. Der Erfolg der Firma Kaffee Hag ist darauf zurück zu führen, dass sie als erstes Unternehmen koffeinfreien Kaffee auf den Markt brachte. Roselius nahm massgeblichen Anteil an der Gestaltung der Strasse, deren Gebäude teilweise in den Besitz des Unternehmens übergingen.

Nach dem I. Weltkrieg wurden einige baufällige Gebäude abgerissen und neu aufgebaut. Einer der Architekten war Bernhard Hoetger (1874-1949), der auch als Bildhauer, Maler und Kunsthandwerker im Stil des Expressionismus wirkte.

Unter seiner Regie entstand das Haus Atlantis (heute ein Hotel) und das Paula-Modersohn-Becker-Museum. Paula Modersohn-Becker (1876-1907) war eine deutsche Malerin des Früh-Expressionismus. Durch die schwierige Geburt ihrer Tochter wurde sie krank und starb nur 18 Tage danach an einer Lungenembolie.

Über gemeinsame Freunde lernte sie um 1900 auch Rainer Maria Rilke kennen, der sie als „ernste Freundin“ charakterisierte und über sie schrieb:

„Du blasses Kind, an jedem Abend soll
der Sänger stehn vor deinen Dingen.“

Einer ihrer Kritiker war ihr Ehemann Otto Modersohn. Er lobt zwar ihre Stillleben, hatte aber an ihren Portraits und Akten viel auszusetzen, was aus einem Tagebucheintrag im Dezember 1905 hervorgeht:

„.. malt lebensgrosse Akte und das kann sie nicht, ebenso lebensgrosse Köpfe kann sie nicht [.] Ihre herrlichen Studien lässt sie liegen. Zu ihnen Zeichnungen machen – Technik lernen – und sie ist fertig. Sie ist hochkoloristisch – aber unmalerisch hart besonders in ausgeführten Figuren. Verehrt primitive Bilder, sehr schade für sie – sollte sich malerische ansehen. Will Farbe und Form vereinigen – geht gar nicht in der Weise, wie sie es macht.“

Das Museum zeigt viele ihrer Bilder. Eines der bekanntesten davon ist ein „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“, vom 25. Mai 1906, in der sie vor einem hellen, mit Punkten versehenen Hintergrund sich in einem Halbakt gemalt hat, den Kopf leicht nach vorn gebeugt, die rechte Hand unter ihrer Brust und die linke unter ihrem Bauch. Auffällig ist, dass sie fast nie Hände mit Fingern gemalt hat, und man könnte zu dem obigen Zitat hinzufügen, dass „kann sie nicht“.

Jedenfalls sprechen mich persönlich ihre Bilder nicht besonders an.

Das Museumsgebäude, über verwinkelte Treppen mit dem Roselius-Haus verbunden, zeigt neben der Sammlung des Mäzens, die überwiegend norddeutsche und niederländische Malerei, Plastik und angewandte Kunst von Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert umfasst, unter anderem auch Werke von Lucas Cranach dem Älteren und dem Jüngeren; und in der Zeit vom 04.10.2015 bis 24.01.2016 werden Skulpturen und Plastiken der Bildhauer Bernhard Hoetger, hier beheimatet, mit denen von Gerhard Marcks (1889-1981) jeweils gegenüber gestellt.

Es ist eine figürliche Bildhauerei, wobei sich Hoetger an der altägyptischen Kunst und Mythologie und Marcks sich eher an Griechenland orientiert. Dennoch sind frappierende Ähnlichkeiten erkennbar, scheinbar als wenn Marcks sich bei Hoetger Ideen geholt hätte. Gut zu sehen ist das an Marmorbüsten, bei Hoetger, der „Kopf eines Jünglings“, entstanden 1914-1916 und bei Marcks das Portrait von „Ute Krull“ aus dem Jahr 1950, aber auch an Frauenskulpturen, etwa von Marcks dem „Mädchen mit Apfel“ 1948 und „Eva mit dem Apfel“ von Hoetger, 1912 entstanden.

Auch die Gegenüberstellung der Tierfiguren ist interessant. Die Unterschiede wurden von
Radio Bremen zur Eröffnung der Ausstellung so skizziert:

„Während Marcks allerhöchstens eine weisse Glasur zuliess, schwelgte Hoetger in der Farbe. Sein Panther ist quietschgelb und lässt die Muskeln spielen, während er zum Sprung ansetzt. Man sieht auch sehr schön, dass im Spätwerk von Gerhard Marcks ein tektonischer Aufbau eine grosse Rolle spielt und da passen natürlich die aufeinander hockenden Bremer Stadtmusikanten hinein.“

Im Spätwerk von Marcks spielen Tiere eine bedeutende Rolle, so die Skulpturen der bekannten „Bremer Stadtmusikanten“, die Darstellung der 4 jeweils auf dem Rücken stehenden Tiere Esel, Hund, Katze und Hahn, die im Märchen entweder wegen Altersschwäche oder zur Nahrung von ihren bäurischen Eigentümern getötet werden sollten und sich auf eine Wanderschaft nach Bremen begaben und so intelligent verhielten, dass sie sogar Räuber in die Flucht schlugen.

In der Zeit des III. Reiches verhielten sich die 2 Künstler zunächst unterschiedlich. Während Bernhard Hoetger nach der Machtübernahme durch Hitler Mitglied der Auslandsorganisation der NSDAP in Rom geworden war, wurde Gerhard Marcks bereits 1933 aus seinem Lehramt an der Stattlichen Kunstgewerbeschule Burg Giebichstein entlassen. Die Werke beider wurden allerdings durch die Nazis als „entartete Kunst“ eingestuft, wie auch die Böttcherstrasse, die als ein „Negativbeispiel für entartete Kunst“ von den Machthabern sogar unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Das sind nicht die einzigen Museen in Bremen, die einen Besuch lohnen, unter anderem sind da das Neue Museum Weserburg mit moderner Kunst, die Kunsthalle Bremen, das Übersee-Museum und das Dom-Museum zu nennen. Neben der Böttcherstrasse sind das Schnorr-Viertel, der Marktplatz, das Rathaus und andere ältere Gebäude sehenswert.

 

Quellen
http://www.radiobremen.de/kultur/ausstellungen/hoetger-marcks100.html
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6ttcherstra%C3%9Fe_%28Bremen%29
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Hoetger
http://www.marcks.de/kooperationen.aspx?id=918
Prospekt zur Ausstellung „Bernhard Hoetger und Gerhard Marcks – Eine Tradition - zwei Welten“ hrsg. von  „Museen Böttcherstrasse/Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen“

 


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