BLOG vom: 11.09.2011
Badenweiler D: Im Römisch-Irischen Bad textilfrei schwitzen
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Das im reizvollen Markgräflerland (südlich von Freiburg im Breisgau) und am Fusse des Blauen (1165 m ü. M.) gelegene Badenweiler blickt auf eine über 2000-jährige Badegeschichte zurück. Wahrscheinlich haben schon Kelten die Heilkraft der Thermalquelle entdeckt. Später nutzten die Römer die warme Quelle. Im 1. Jahrhundert wurde ein Thermalbad angelegt, das laufend vergrössert wurde. Die Badeanlage geriet später in Vergessenheit. Unter Markgraf Carl Friedrich von Baden (1728−1811) wurde die Anlage 1784 wiederentdeckt und ausgegraben. Heute ist die römische Badruine, die zu den am besten erhaltenen Thermen nördlich der Alpen gilt, durch eine preisgekrönte Dachkonstruktion geschützt. Der Schutzbau mit seiner transparenten und luftigen Glashülle, den ich als sehr gelungen bezeichne, fügt sich elegant in den Kurpark ein. Der Besucher kann hier auf erhöhten Stegen die Badekultur der Römer studieren. Die Becken für kaltes und warmes Wasser besitzen noch die original verputzten Oberflächen. Zu sehen sind grosse Teile der Ruhe- und Schwitzräume, die mit Kalksteinplatten ausgelegt waren. Auch das „Hypokaustum“, eine antike Form der Heissluftheizung, ist zu sehen. Diese Anlage ist in der Tat eine Vorläuferin der Fussbodenheizung. Die Römer hatten aber auch noch eine Wandheizung. Unter dem Verputz waren Hohlziegel, darin zirkulierte heisse Luft und der Rauch konnte dadurch abziehen. Die Wandheizung verhinderte eine Schwitzwasserbildung.
Die römische Badruine in Badenweiler hat die aussergewöhnlichen Ausmasse von 93×34×5,5 m. Sie war mir durch mehrere Besuche bestens bekannt. Auch schwamm ich schon einige Male in den verschiedenen Becken der Cassiopeia-Therme herum. Diese Therme besteht aus Thermalbädern, einer Saunalandschaft, einem Römisch-Irischen Bad und einer Wellness-Oase. Die Therme wurde vom Heilbäderverband bereits zum 2. Mal in Folge in allen Kategorien als „Fünf-Wellness-Stars-Therme“ ausgezeichnet. Sie wird zu 100 Prozent mit Naturenergie betrieben.
Kaum zu glauben: Täglich fliessen etwa eine Million Liter 26,2 °C warmes Thermalwasser aus einer artesischen Quelle nach Badenweiler. Es wird vermutet, dass zu Zeiten der Römer die Quelle eine höhere Temperatur hatte.
Als ich die Wellness-Angebote der Cassiopeia-Therme zur Entspannung, Regeneration und Wohlfühlen las, wurde ich zunächst unsicher, welche Anwendung ich einmal ausprobieren und testen sollte. Ich entschied mich für das Römisch-Irische Bad.
Es ist, wie ich mir sagen liess, kein original Römisches Bad, sondern eine Kombination der römischen Badekultur mit der irischen Badetradition. Die Prozedur hat der irische Arzt Dr. Richard Barter (1802−1870) erfunden. Es ist eine Kombination unterschiedlicher warmer Thermalbädern mit Heissluftbädern. Das Bad soll besonders Menschen, die unter Arthrose, chronischer Bronchitis, Durchblutungsstörungen, Gelenkrheumatismus und Drüsenstörungen leiden, helfen. Ein solches Bad soll entspannend wirken und die Gesundheit stärken. Es entschlackt und fördert das vegetative Gleichgewicht.
Wie die Römer baden?
Nun schritt ich am 25.08.2011 um 16.30 Uhr erwartungsvoll zur Kasse der Cassiopeia-Therme in Badenweiler. Als ich zur Kassiererin sagte: „Ich möchte gerne wie die alten Römer baden“, wusste sie gleich Bescheid und lächelte. Ohne ein Wort zu sagen, überreichte sie mir einen Bon und einen gelben Chip für 18 Euro (ab 18.00 gilt der Abendtarif in Höhe von 14 Euro).
Wer zum ersten Mal in solche Hallen tritt, ist etwas verwirrt. Zunächst kommt der überreichte Chip in den Schlitz des Einlassgerätes. Der Chip kommt heraus, und die Verriegelung des Drehkreuzes wird geöffnet. Das weitere Prozedere: Chip nicht verlieren, denn diesen benötigt man später für den Umkleidespind; dann entkleiden, grosses Badetuch umwickeln und mit dem Aufzug zur textilfreien Zone der Therme fahren. Beim ersten Mal sah ich zwar das Schild „Aufzug zum Römisch-Irischen Bad“, ich wollte jedoch die Treppe benutzten. Aber ich geriet nicht in die textilfreie Zone, sondern in den Textilbereich der Therme. Zum Glück war ich mit einem Badetuch bekleidet. Um mich herum schwirrten die angezogenen Gäste herum. Das kann doch nicht sein, dass sich hier in der Nähe ein textilfreier Baderaum befindet, dachte ich. Bald wurde mir bewusst, dass ich hier auf dem Holzweg war. Von einem Bademeister erfuhr ich dann den richtigen Weg zum Aufzug. Dieser brachte mich dann in die „geheiligten“ Hallen der Badelandschaft der Römer und Iren.
Dort erblickte ich die verschiedene mit Wasser gefüllte Becken und nummerierte Türen. Neben der Tür Nr. 1 stand der empfohlene Badeablauf, später entdeckte ich in den Räumen ähnliche Schilder mit Angaben zur Temperatur und zu den Badezeiten. Auch ein Nothilfeschalter war in den Räumen vorhanden. Wer hier in Schwierigkeiten mit dem Kreislauf kam, konnte rasch Hilfe herbeirufen.
Zunächst wurde ausgiebig geduscht, dann durfte ich in den Warmluftraum mit 50 °C eintreten. In diesem und den anderen Räumen befanden sich oval angeordnete stufenförmige 5 Sitzbänke aus Holz. Ich kam mir wie in einem Hörsaal oder einem kleinen Amphitheater vor.
Im Raum sah ich in einer Ecke einen älteren Mann, der ausgestreckt auf einem Badetuch liegend sich der wohligen Wärme hingab. Nun, ich setzte mich auf mein Badetuch und genoss die angenehme Wärme 10 Minuten lang. Dann schritt ich von diesem Warmluftraum in den 70 °C erhitzten Heissluftraum, in dem sich schon ein Ehepaar der Hitze ausgesetzt hatte. Ich ging nach oben und liess mich auf der 3. Stufe der Holzkonstruktion nieder. Hier wurde mir gehörig eingeheizt. Die empfohlene Zeit war mit 5 bis 8 Minuten angegeben. Die Zeit konnte man an Uhren, die sich in den jeweiligen Räumen befinden, ablesen. Ich hielt es nur 5 Minuten aus. Dann schritt ich etwas früher als das Ehepaar in den Dampfraum. Dort herrschten 50 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 95 %. Die Luft war mit ätherischen Ölen angereichert. Die hitzige Feuchtigkeit brachte meine Schweissdrüsen gewaltig zum Fliessen. Ich schwitzte wie schon lange nicht mehr. Aber es tat mir gut, zumal sich der Körper langsam an die höheren Temperaturen gewöhnt hatte. Das Ehepaar, das nach mir eintrat, verliess den Raum dann etwas früher als ich. Nach 10 Minuten hatte ich genug und ging in den Kaltluftraum, um zu duschen.
Empfohlen wird eine Seifenbürstenmassage, die ich nicht gebucht hatte. In einem abgetrennten Raum mit Sichtschutz war gerade ein Masseur dabei, mit Wurzelbürste (keine Angst, es ist eine grosse, weiche Bürste) und einer schäumenden Seife (rückfettende Kernseife) einer Person die gewünschte Massage zu verpassen. Ich stellte mir eine gründliche Schrubberei vor. In Wirklichkeit, so liess ich mir sagen, wird der Körper sanft massiert, dadurch wird die Durchblutung der Haut angeregt. Nach der Massage soll sich die Haut sanft und geschmeidig anfühlen. Ob eine alte runzlige Haut auch sanft wird, kann ich mir nicht vorstellen. Irgendwann probiere ich auch die Bürstenmassage aus. Wer weiss, vielleicht wird meine Haut dann attraktiver. Es sollen ja nicht immer nur die Frauen von solchen Bearbeitungen profitieren.
Nach dem erwähnten Duschen entspannte ich mich in einem warmen Thermalbecken von 36 °C. Das Ehepaar war hier nicht mehr zu sehen, sie duschten gerade und flüchteten später in den Ruheraum.
Wer dann noch Lust hatte, sich abzukühlen, konnte ein 12 °C kaltes Tauchbecken aufsuchen. Hier kühlt sich der Körper ab, die Hautporen schliessen sich. Ich wollte einen Kälteschock vermeiden und begab mich dann in den Ruheraum. In ein grosses Leintuch eingehüllt, ruhte ich mich 15 Minuten aus. Zunächst bemerkte ich am Anfang einen erhöhten Pulsschlag, der sich schnell beruhigte. Ich genoss die Ruhephase. Mein Blick war auf eine mit Blumen verzierte alte Bogendecke mit Fenstern gerichtet. Auch dieser Blick in die Höhe sorgte für eine wohlige Ruhe. Dann verliess ich mit einem Badtuch bekleidet den Ruheraum. Dabei entdeckte ich den älteren Mann, den ich bereits im Warmluftraum gesehen hatte, wie er im warmen Thermalbecken auf einer unter dem Wasser befindlichen Bank mit geschlossenen Beinen ausgestreckt relaxte. Er war wohl schon gehörig abgehärtet, weil er sich in den Räumen länger aufgehalten hatte. Vielleicht war er ein Dauergast.
Je nach Konstitution können übrigens die Badezeiten verlängert werden. Ein weiterer Durchgang ist möglich. Nach dem Baden fühlte ich mich ein bisschen wie die alten Römer. Wie die Römer tatsächlich badeten, werde ich in einem weiteren Blog beschreiben.
Anmerkung: Etliche Heilbäder und Hotels, wie zum Beispiel die Alpentherme Leukerbad bzw. das Hotel Lindner (www.lindner.de), bieten auch das Römisch-Irische Bad an. Allerdings kann hier der Ablauf etwas variieren. In Leukerbad kommen noch ein Heilschlamm-Peeling und ein Thermalsprudelbad dazu.
Anhang: Vor dem Bad eine Lektion im Fotografieren
Bevor ich mich dem Römisch-Irischen Bad hingab, lernte ich noch einen älteren Fotografen in der Nähe des Eingangs zur Cassiopeia-Therme kennen. Der Mann war schwarz gekleidet, hatte einen Rauschebart, kaum Zähne im Mund, lebhafte fotografische Augen und war mit 2 älteren Spiegelreflex-Kameras behängt. Das weckte meine Neugier. Er sah so originell aus, dass ich ihn ansprach und auch ihn bat, ob ich ihn fotografieren dürfe. „Fragen Sie nie, ob Sie ein Foto machen dürfen“, meinte er betont. Dann lieferte er die Begründung: Wenn alle auf ein Foto warten, wirken die Gesichtsausdrücke auf den Aufnahmen wie erstarrt. Er selber fotografiert Menschen auf Plätzen und in Wirtschaften heimlich. Er drückt im Brustbereich, dort wo sich die Kameras befinden, den kaum hörbaren Auslöseknopf. Vielleicht hat der Bursche auch ein Bild von mir gemacht, ohne, dass ich es bemerkte. Er hält nicht viel von der Digitalfotografie, weil die Kameras viel zu langsam beim Aufnehmen sind. Seine Leidenschaft ist die Schwarz-Weiss-Fotografie. Für seine Aufnahmen verwendet er immer einen hoch auflösenden Film.
Internet
Literatur
Erdmann, Elisabeth: „Leben unter römischer Herrschaft“, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Neckar-Verlag, Villingen-Schwenningen 1986.
Heiligmann, Jörg: „Das römische Badewesen“, Artikel im Heft „Badenweiler – Römische Badruine mit neuem Schutzdach“, Sonderdruck Schlösser Baden Württemberg, Staatsanzeiger Verlag, Stuttgart 2001.
Heinz, Werner: „Baden, Salben und Heilen in der römischen Antike“, Augster Museumshefte 13, 1993.
Pörtner, Rudolf: „Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit“, Econ Verlag, Düsseldorf 1959.
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